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Geschichte des Zoo Palasts: Der Glanz von gestern

Die glamouröse Geschichte des Zoo Palasts reicht von West-Berliner Frontstadt-Zeiten bis in die jüngste Gegenwart – mit jeder Menge Stars als Personal.

Der größte Filmstar, der je den Zoo Palast besucht hat? Ihm sogar – zähnefletschend und mit gesprengten Fesseln – aufs Dach gestiegen ist, wenngleich mit fremder Hilfe? Das war King Kong: 4,20 Meter hoch, 600 Kilo schwer, zur Berlinale 1993 anlässlich seines 60. Geburtstages aufs damals unumstrittene Hauptkino der Stadt gehoben. Ein Ereignis, das nicht ganz ungetrübt verlief, doch das lag nicht am Affen. Beim Montagetermin hatte ein Fotograf ein kleines Mädchen beschwatzt, in King Kongs Pranke ersatzweise als „Weiße Frau“ zu posieren, woraufhin es bei seinen zahlreich anwesenden Kollegen kein Halten mehr gab: „Guck doch mal hierher ... so, jetzt dorthin.“ Zuletzt war das arme Ding völlig verwirrt und brach in Tränen aus.

Glück und Leid liegen eben gerade beim Kino dicht beieinander – oder auch übereinander wie im Falle des doppelten Lichtspielhauses, das am 28. Mai 1957 an der Stelle des 14 Jahre zuvor ausgebombten Ufa-Palasts am Zoo eröffnet worden war. Damals war das eine Sensation: ein Kino mit zwei Sälen, die als verschieden große Keile übereinandergestapelt waren, sodass die Zuschauer im Hochparkett des großen Saales über der Leinwand des kleinen thronten. In dem Namenswettbewerb, der von der Zeitung „Der Abend“ ausgerufen worden war, entzündete sich gerade daran der vielgerühmte Berliner Humor: Von „Klappstulle“ war die Rede, auch „Doppeltes Lottchen“, „Zwo am Zoo“, „Bambi und Bambino“ oder „Doppeldecker“ wurden vorgeschlagen. Die Jury, der unter anderem Hans Söhnker und die Knef angehörten, entschied sich aber doch, den großen Saal „Zoo Palast“ zu nennen, den kleinen „Atelier am Zoo“ und das gesamte Haus „Bikino“ – ein Name, der schon wegen der später angeklebten Schachtelkinos in Vergessenheit geraten musste.

Karena Niehoff, Filmkritikerin beim Tagesspiegel und auch beim Premierenfilm „Die Zürcher Verlobung“ von Helmut Käutner, mit Liselotte Pulver, Paul Hubschmid und Bernhard Wicki, dabei, verleitete der Neubau geradezu zu poetischer Schwärmerei: „Das neue Kino auf filmhistorischem Boden duckt sich breit und verschlossen wie das Monument eines Bernhardiners zu Füßen des geschmeidigen Hochhauses. Genau genommen besteht es nur aus einem wuchtigen Kopf, in dem der flimmernde Eingang die Augen sind. Der Körper verschwindet irgendwo in den Armen der Randbebauung.“

Ein „lapidarer Klotz“ sei es, der sich aber „ein gesprächiges Innenleben“ gestatte, das Foyer „unvermutet mondän und üppig“, während sich im Hauptsaal selbst „der endlose Bogen der Leinwand wie ein musikalisches Thema in den Schwingungen der Sesselreihen“ fortsetze.1204 Zuschauer fanden dort Platz, im Atelier waren es weitere 550. Das eröffnete einen Tag später mit dem US-Film „Der Regenmacher“, in den Hauptrollen Burt Lancaster und Kathrin Hepburn. Mit der Auswahl der Debütfilme war zugleich die angestrebte Programmlinie beschrieben: Hier der gute deutsche Film, dort die anspruchsvolle Importware – ein Prinzip, das sich auf Dauer nicht durchhalten ließ.

In der Begeisterung des Publikums für den Kinoneubau spiegelte sich die Aufbaueuphorie, die West-Berlin Mitte der fünfziger Jahre erfasst hatte. Die Jahre der Entbehrungen und Provisorien sollten endlich Vergangenheit sein, die Halbstadt wollte wieder Metropole spielen, schon um es denen im Osten mal so richtig zu zeigen. 1957 setzte die Interbau im kriegszerstörten Hansaviertel architektonische Maßstäbe, ein Jahr später eröffnete das neue Café Kranzler, das bald ebenfalls zum Wahrzeichen der Stadt wurde.

Der Zoo Palast, Teil des Zentrums am Zoo mit dem DOB-Hochhaus, dem Bikini-Haus und dem Kleinen Hochhaus, fügte sich in diesen in Beton gegossenen Willen zum Neubeginn perfekt ein. Ein Zusammenschluss von 45 Firmen der Damenoberbekleidungsindustrie, viele von ihrem einstigen Zentrum um Spittelmarkt und Hausvogteiplatz vertrieben und auf der Suche nach neuen Büro- und Verkaufsflächen, hatte das Projekt vorangetrieben und die Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger gewonnen. Auf Drängen von Max Knapp, des künftigen Hausherrn im Zoo Palast, wurde für diesen der mit solchen Bauten erfahrene Gerhard Fritsche dazugebeten. Fritsche wurde für den Lichtspieltempel federführend. Die Bauarbeiten dauerten übrigens nur 255 Tage.

Ein Ort der glamourösen Selbstvergewisserung

Möglicherweise war es gerade die ungewöhnliche Stapelung der Säle, die den Zoo Palast vor dem Zerstückeln in Klein- und Kleinstsäle bewahrte, das in den siebziger Jahren viele Großkinos ruinierte. Auch Max Knapp setzte auf diesen Trend, ließ die Zusatzsäle aber nicht hineinbauen, sondern draußen ankleben, ein Bauprinzip, das sich durch alle Betreiberwechsel erhalten hat – 1990 zu Hans-Joachim Flebbes Firma Cinemaxx, 1994 zu UCI und jetzt erneut zu Flebbe, der mittlerweile den Multiplexen den Rücken gekehrt hat und auf Luxushäuser wie die Astor Film Lounge oder nun eben den Zoo Palast setzt.

Dass der Zoo Palast alle Wechselfälle der Zeit, die diversen Kinokrisen und Verschiebungen im Freizeitverhalten seines Publikums, immer ganz gut überstanden hat und jetzt zu neuem glanzvollem Leben wiedererweckt wird, hat er nicht zuletzt seiner – lokal, national wie international – exponierten Stellung in der Welt des Kinos zu verdanken. Das Haus an der Hardenbergstraße war für die Menschen in der Frontstadt West-Berlin zunächst ein Ort der glamourösen Selbstvergewisserung und der glanzvollen Premieren, die zu beweisen schienen, dass trotz aller mal mehr, mal weniger dunklen Wolken am politischen Horizont der Alltag mit seinen Lustbarkeiten doch irgendwie immer weiterging. Für die Filmmenschen im Besonderen aber, die Leitung der Berlinale, die Kulturpolitiker im Rathaus Schöneberg und in Bonn sowie nicht zuletzt die Amerikaner, die das Filmfest angeschoben hatten, bedeutete der Zoo Palast das Ende der Provisorien, war das lang ersehnte, dem neuen Status als A-Festival angemessene Repräsentationskino.

Und die Stars kamen gern, liefen stets zahlreich über den roten Teppich, auch wenn der wegen der nahen Straße arg kurz ausfallen musste. Gleich im ersten Jahr waren es Zelebritäten wie Henny Porten, Vico Torriani, Hildegard Knef, Peter van Eyck, Trevor Howard, Henry Fonda und Errol Flynn.

Wer hat nicht alles die Bühne des Zoo Palast erklommen, zur Berlinale oder bei anderen Gelegenheiten: Jack Lemmon wurde bei der Bärenverleihung 1996 von seinem Synchronsprecher Georg Thomalla begrüßt, und Alain Delon bekannte ein Jahr zuvor „Ich auch, ich bin ein Berliner.“ Zur Premiere von Oliver Stones „JFK“ 1992 versandte man Tickets mit stilisierten Einschusslöchern, und Roland Emmerich brachte vier Jahre später zur „Independence Day“-Gala neben Will Smith auch gleich noch ein Riesenraumschiff mit. Lee Marvin, den Westernfreunde vom Flughafen Tempelhof in einer Wildwest-Kutsche abgeholt hatten, ließ sich 1965 für seine Rolle als trunksüchtiger Revolverheld in „Cat Ballou“ feiern, und Otto hatte sich zur Feier seines „Liebesfilms“ 1991 sogar eine Fliege umgebunden. Michael Jackson allerdings, auf den zum 40. Jubiläum des Kinos – und zum Start seines Filmchens „Ghosts“ – spekuliert worden war, kam nicht.

Auch die großen Skandale der Berlinale waren mit dem Zoo Palast verbunden, die Aufregung um Michael Verhoevens Vietnam-Film „O.K.“ 1970 oder um Michael Ciminos „The Deer Hunter“ neun Jahre später, der zum Exodus fast aller sozialistischer Länder führte. Nicht zu vergessen die Beschlagnahmung des vermeintlich pornografischen Forum- Films „Im Reich der Sinne“ von Nagisa Oshima 1976 nach der ersten Vorstellung im Atelier am Zoo.

Erst mit dem Zusammenwachsen der Stadt nach 1989 verlor der Zoo Palast allmählich seine herausgehobene Stelle. Im neuen Berlin verlagerten sich die Publikumsströme ebenso wie die öffentliche Aufmerksamkeit, die sich vom alten West-Berlin auf die neugeschaffenen oder wiederbelebten Quartiere richtete. Das spiegelte sich auch im Umzug der Berlinale im Jahr 2000. Seither ist es ruhiger um den Filmtempel geworden. Nicht länger ist er Hauptspielort der Berlinale, Premieren gibt es nur noch hin und wieder. Aber es gibt sie, so am 11. Dezember, die erste nach der Wiedereröffnung: „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, mit Ben Stiller und Kristen Wiig als Gästen. Ein vielversprechender Anfang.

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