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Gesundbrunnen

© Kitty-Kleist Heinrich

Gesundbrunnen: Quellenforscher

Das Wasser des Gesundbrunnens war versiegt – nun sprudelt es offenbar wieder.

Wo sprudelt, perlt und wabert was? Eine Quelle sieht – irgendwie anders aus. Nicht nach einem Überlaufbecken in einem alten, feuchten Keller. Doch was sickert und tropft und ständig abgepumpt werden muss, weil sonst das Wohnhaus drüber unter Wasser steht, ist vermutlich eine Quelle. Eine Heilquelle sogar, die sich nach über 120 Jahren nach oben wagt und die einst dem Weddinger Ortsteil den Namen gab: Gesundbrunnen.

Der Pfarrer und Hausbewohner Thomas Gärtner ist jedenfalls davon überzeugt, im Haus Badstraße 35 den Gesundbrunnen geortet zu haben. Er hat sogar von dem edlen Nass getrunken, das Gesicht etwas verzogen, aber sonst nichts Unbekömmliches vermerkt. Sogar eine Laboranalyse hat es schon gegeben: „Gute Trinkwasserqualität“. Es ist vermutlich auch sehr eisenhaltig, das muss alles noch genauer untersucht werden, im Keller hinterlässt es rostige Spuren.

Auch Matthias Gaenzer von der Wohnungsbaugesellschaft Gesobau, der das Haus gehört, ist überzeugt, dem legendären Gesundbrunnen auf der Spur zu sein. Er spricht von einem „Kulturgut“, was fast schon wie Weltkulturerbe klingt. Wie es weitergeht mit dem Schatz im Keller, ist noch unklar. Vielleicht wird es regelmäßige Führungen geben. Vielleicht wird die Heilkraft, wenn sie denn erwiesen ist, in Bechern ausgeschenkt, in Flaschen gefüllt. Vielleicht macht jemand den Vorschlag, die Stadt zu „Bad Berlin“ zu erklären und Kurtaxe zu verlangen. Sicher ist nur, dass es so bescheiden und verborgen wie jetzt wohl nicht weitergehen dürfte. Noch landet das Wasser, das sich so rührend nach oben kämpft und heilen könnte, nicht im gesundheitsbewussten Menschen, sondern per Schlauch in der Kanalisation.

Das Hinterhaus, aus dem es kaum hörbar blubbert, ist ansehnlich und nicht der schlechteste Quellenachweis: Hier waren mal das nahe Luisen- und das Marienbad, auch die Zisterne im Keller gab es, da sammelte sich aber nur Grundwasser.

Eine prachtvolle Wiese war hier, als Friedrich I. anno 1701 fast unmittelbar an der Panke Station gemacht haben soll. Die Kaninchenjagd hatte ihn erschöpft, er bat eine Müllersfrau um Wasser. Die brachte ihm ein Glas, der König schluckte begeistert und nahm eine Probe mit, ließ sie untersuchen. Das Wasser war stark eisenhaltig. Der Brunnen wurde sechs Jahrzehnte später zum Heilbad ausgebaut, das kohlensäurehaltige Wasser aus den Pankewiesen hatte es in sich. Hofapotheker Heinrich Wilhelm Behm pries es „Königin-Luise-Quellwasser“ an, erfolgreich gegen „kaltes Fieber, verstopfte Eingeweide, Hypochondrie, Bleichsucht, Verschleimung des Geblüts, Gliederreißen, Blähungen und Ohrenschmerzen“. Zur Kur in „Friedrichs Gesundbrunnen“ gehörten „gelindes Schwitzen und gelindes Promenieren in der lieblichen Natur“. Die Apotheken verkauften das Wasser mit großem Erfolg. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde hier auch gern gebadet, doch dann kamen immer mehr Industrie und Gewerbe ins Gebiet, die Panke stank wegen des vielen Unrats, und wer hineinfiel, wurde krank. Das wollte zu „Gesundbrunnen“ nicht passen. Am Ende des 19. Jahrhunderts versiegte die Quelle, wie aus Protest.

Vielleicht wurde sie auch beim Bau der Kanalisation zugeschüttet. Nun hat sie sich wohl wieder einen Weg gebahnt. Oder fließt doch nur schnödes Grundwasser? Nein, versichern Thomas Gärtner und Matthias Gaenzer, die bislang ermittelte Qualität sei dafür viel zu gut.

Die Initiative „Nächste Ausfahrt Wedding“ lädt zum Quellenstudium: Am Sonnabend um 14 und 16 Uhr beginnen an der Gleimstraße (Mauerpark) Fahrradtouren zur „Wiederentdeckung“ des Gesundbrunnens. Christian van Lessen

Christian van Lessen

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