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Gottesdienst: "Tannen sind unsere Palmen“

Orthodoxe Christen feierten den Palmsonntag am Mierendorffplatz in Charlottenburg. Mehr als 500 syrisch-orthodoxe Christen besuchten den traditionellen Gottesdienst.

Kalendarisch ist die Christenheit gespalten. Während Katholiken und Protestanten Ostern schon am 23. März feierten, folgen Orthodoxe und Ostchristen erst nächsten Sonntag. Etwa 70 000 Berliner betrifft das Schisma. Gestern begingen die Syrisch-Orthodoxen Palmsonntag. Die Messe wird in Aramäisch gehalten, der Sprache Christi.

Das würde jedem Pfarrer gefallen: Eine Kirche, bis auf den letzten Platz belegt. Trotz dreistündigem Gottesdienst, ans Sitzen denkt kaum einer der 500 Christen syrisch-orthodoxen Glaubens, hier in der Kirche zum heiligen Mor Afrem am Mierendorffplatz in Charlottenburg. Die Kirchenbesucher stammen, wenn sie nicht in Berlin geboren sind, überwiegend aus der Region Tur Abdin im Südosten der Türkei, an Syrien und den Irak grenzend. Eine heitere Spannung und der ätherische Duft von Tannen liegen in der Luft. Jung und Alt stehen, in den Händen halten sie Tannenzweige. Die Messe neigt sich ihrem Höhepunkt zu, der Prozession zum Palmsonntag. Für Christen markiert dieser Tag im Kirchenjahr den Beginn der Karwoche, sie gedenken dem Einzug Jesu in Jerusalem. Der Mädchenchor setzt auf aramäisch zum Gesang "Uscha`no l`bar Davidh" an, – Hosianna dem Sohn Davids – und unter Hosiannarufen fliegen Tannenzweige in hohem Bogen Richtung Gemeindepfarrer, dessen Prozessionszug die Gemeinde in Bewegung bringt. Kinder reißen sich von ihren Eltern los, lärmend und johlend führen einige den Festzug an, der immer wieder zum Halten kommt. Mit einem großen Kruzifix vor der Brust bahnen sich Priester Abuna Ilyas und seine Diakone den Weg durch die Menge. Zum Ende des Rundgangs hängen dicke Weihrauchschwaden in der Luft, der schwarze Marmorboden ist mit Tannengrün übersät. Priester und Ministranten bereiten die Lesung aus dem Evangelium nach Matthäus vor. Singend mahnt der Messdiener die Gemeinde: "In Stille, Ehrfurcht und Bescheidenheit lasst uns der Botschaft aus dem Evangelium des Herrn folgen." Von der Prozession noch aufgekratzt kommen die kleineren Kinder der Aufforderung nur zögernd nach. Sie bewerfen sich lieber noch mit Tannengrün, ehe die Ruhe einkehrt, die Kirchenräume gewöhnlich ausstrahlen. Der Abuna verliest den Einzug Jesu in Jerusalem.

"Seit jeher ist die syrisch-orthodoxe Kirchenliturgie auf Verständnis und Volksfrömmigkeit ausgerichtet. An dieser Tradition halten wir fest. Tannenzweige, dass sind unsere deutschen Palmwedel.“

Isa Tozman

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