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Bahnhof Zoo

© Kai-Uwe Heinrich

Gute Geschäfte: Bahnhof Zoo hat wieder Halt gefunden

2006 wurde der Bahnhof vom Fernverkehr abgekoppelt. Doch von Depression ist nichts zu spüren. Im Gegenteil: Es gibt viel Hoffnung und Investitionen in neue, modernisierte Geschäfte.

Bei „Alles Wurscht“ läuft gar nichts. Am Stand gibt’s kein Personal, keine Currywurst, keine Pommes. Als sei dem Händler alles wurscht. Der Laden zwischen den Hallen des Bahnhofs Zoo ist dicht. „Aber nicht lange“, versichert am Sonntag ein Mitarbeiter des benachbarten Cafés irritierten Kunden. „Hier wird alles erweitert und noch schöner.“ Er zeigt auf die modernisierte Gastronomiezone, die gut besuchten Tische und Stühle seines Cafés und strahlt. Von der Depression, die Händler nach der Abkoppelung des Bahnhofs vom Fernverkehr 2006 erfasste, ist kaum etwas zu spüren. Im Gegenteil: Es gibt viel Hoffnung und Investitionen in neue, modernisierte Geschäfte.

Der Bahnhof ist proppenvoll, 130 000 Menschen sollen täglich vorbeikommen, auch gestern ist das glaubhaft. Die Leute strömen am letzten BVG-Streiktag von und zu den S-Bahnzugängen, es stockt, weil auch eine Rolltreppe streikt. „Recht ordentlich“, sagt einer der Sicherheitsleute, die das sehen, und er meint den Andrang. Voll ist es im Presse-Buch-Laden, im Souvernirgeschäft, in den Cafés und Backläden, die Friseurin dreht Locken. Die Apotheke hat gut zu tun, wenngleich Olga Koch am Tresen sagt, dass es in den letzten Tagen viel ruhiger gewesen sei. Es habe ein Viertel weniger Kunden als vor dem BVG-Streik gegeben, die Leute seien gestresst gewesen, hätten kaum Zeit für die Läden gefunden.

Heute fällt nun endlich das von allen Händlern gehasste Gitter, das den oberirdischen Bahnhof von seinem U-Bahnteil trennte, eine Lebensader kappte. Das Gitter führte dazu, dass sich das Bahnhofsleben noch mehr auf die beiden Hallen konzentrierte. Viele haben erstmals entdeckt, dass seit kurzem der Zoo von den Decken grüßt. Da hängen Elefanten, Löwen und Papageien aus Stoff wie Kronleuchter, Tierbilder, auch Bambus und anderes Gewächs. Nicht nur die Kinder sind begeistert. Die Hallen wirken dadurch enger, intimer, findet Elfriede Neurath. Sie sitzt bei Kaffee und Kuchen, ist mit dem Bus aus Kassel gekommen, der macht hier vorm Bahnhof Station, nach der Mittagspause geht’s weiter nach Usedom. Die Rentnerin kennt den Bahnhof Zoo aus früheren Zeiten. Er habe sich belebt, sagt sie, sei ein angenehmer Aufenthaltsort. „Hier ist Aufenthalt“, wird der Schriftsteller und Journalist Kurt Tucholsky von einem großen Gastronomieunternehmen zitiert, das den Restaurant- und Imbissbereich mit großem Aufwand modernisiert, um Kunden länger als nur zum Ein- und Aussteigen am Ort zu halten. Tucholsky als Zeuge des angenehmen Lebens mit vollen Zügen: „Man sieht sich im Bahnhof“, sollen die Leute sagen können. Und sich gern hier treffen. Das geplante Riesenrad, hoffen viele Händler, wird täglich mindestens 2000 neue Kunden bringen.

Ein neuer Blumenladen, eine neue Bäckerei, der Bahnhof Zoo verspricht offenbar gute Geschäfte. Der Souvenirshop ist innerhalb des Bahnhofs umgezogen, an eine bessere Ecke, das soll sich gelohnt haben. Es gibt auch Händler, die wollen sich nicht äußern, einer sagt lächelnd, geklagt werde ohnehin immer.

Auf die Zwischenebene, wo der Eingang zu den längst stillgelegten „Terrassen am Zoo“ ist, hat sich die Hoffnung noch nicht hochgearbeitet. Da sieht es traurig aus. Die große zerschlagene Scheibe mit den längst ausgedienten Flächen für Hotel-Reservierungen erinnert noch ein wenig an das frühere, heruntergekommene Bild des Bahnhofs.

Im Café unten am Hardenbergplatz, mit dem Blick auf den Zoo, fühlt sich das Publikum sichtlich wohl. Viele Leute sitzen am Sonntag sogar – überdacht – draußen, ein roter Teppich ist ausgelegt. Bei „Alles Wurscht“ gab es nie einen roten Teppich. Etliche Kunden, die vor dem verwaisten Stand grübeln, trösten sich schnell über die entgangene Currywurst. Sie entdecken in Sichtweite, nur paar Meter entfernt, was wirklich Scharfes im neuen Bahnhof Zoo: eine thailändische Garküche. Christian van Lessen

Christian van Lessen

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