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Claudia Geißler

© Thilo Rückeis

„Haus der Stille“: Große Sorgen am Kleinen Wannsee

Die Kirche droht ihrem "Haus der Stille“: Mehr Gäste, mehr Christliches - oder es ist aus. Am Mittwoch entscheidet die Kirche, ob das Haus eine Zukunft hat.

Auf dem Teppichboden stehen eine Klangschale und ein kupfernes Kreuz, das andächtig in die Luft ragt. Sechs Menschen sitzen kreisförmig und in sich gekehrt auf Stühlen oder Meditationshockern. Das warme Licht der vier Lampen im Raum taucht den Souterrain in wohliges Gelb. Es ist still.

Ellen Heienbrok ist eine zierliche Frau mit wachen blauen Augen. Seit 20 Jahren gibt die Körpertherapeutin Meditationskurse im Haus der Stille, dem einzigen Einkehrhaus der evangelischen Kirche in Berlin. Sie liest dort Verse von Meister Eckart, dem deutschen Mystiker, und nach der Meditation verabschiedet sie die Teilnehmer mit einem Abendgebet von Franz von Assisi in die Woche. „Ich habe hier mit Gästen am Johannisfeuer getanzt, Gedichte gelesen und Ostern gefeiert“, sagt Heienbrok. „Wenn es geschlossen werden sollte, heißt es Abschied nehmen.“

Das Haus der Stille, für viele ein Hort der Ruhe und Gelassenheit, steht vor dem Aus. 6000 Euro kostet es die evangelische Landeskirche monatlich. Wenn größere Reparaturen an der alten Villa dazukommen, steckt die Landeskirche auch mal 15 000 Euro hinein. Das weiße Haus, in der Gründerzeit gebaut und idyllisch am Kleinen Wannsee gelegen, ist zu teuer.

Bisher genoss das Haus der Stille ein so genanntes Nutzungsrecht: Der Kirche gehört es seit 1958, sie stellt es dem Trägerverein kostenlos zur Verfügung. Doch im August vergangenen Jahres forderte die Kirchenleitung den Vorstand des Hauses auf, ein neues Konzept vorzuschlagen. „Bis Ende 2008 gilt dieser Vertrag noch. Danach müssten wir die 6000 Euro selbst aufbringen“, sagt Claudia Geißler, die sonntags die Gottesdienste in der kleinen Kapelle ausrichtet. Im Moment sei das nicht möglich: Die Gästeauslastung liege jährlich bei nur 30 Prozent, das Haus habe kaum Rücklagen. Mit einem neuen Konzept soll sich das ändern, die Auslastung verdoppelt werden.

Das zweistöckige Haus der Stille – 23 Zimmer, Kapelle, Meditationsraum und Küche – bietet Menschen jeder Religionszugehörigkeit tägliche Workshops und mehrtägige Kurse an: Yoga, Fasten, aber auch Themen wie Sterbelehre oder die Gottsuche mit dem Bildhauer und Theologen Ernst Barlach. Die Teilnahmegebühr kostet zwischen acht und 300 Euro. Ein Schwerpunkt sei die Meditation, sagt Heienbrok. Doch genau damit geriet das Haus, das jährlich rund 1000 Gäste beherbergt, in die Kritik: Zu viele fernöstliche Meditationskurse enthalte das Programm, zu wenig Christentum.

Der Spiritualitäts-Beauftragte der evangelischen Kirche, Wolfgang Bittner, hatte es jüngst so formuliert: Es sei merkwürdig, dass das Haus nicht zuerst in christliche Grundweisen der Spiritualität einführe. Doch das sehen die Mitglieder des Trägervereins natürlich anders. „In der Mystik und Meditation treffen sich alle Religionen. Dem zugrunde liegt eine tiefe Gotteserfahrung, die jeder selbst für sich erfahren kann“, sagt Claudia Geißler. Seit den sechziger Jahren habe es immer wieder Menschen angezogen, die der Kirche schon den Rücken gekehrt hatten und durch Meditation schließlich wieder in eine christliche Gemeinschaft zurückkehrten. „Wir haben viele Leute, die sich aufgrund der guten Atmosphäre hier haben taufen lassen oder wieder in die Kirche eingetreten sind“, berichtet sie.

Die 71-Jährige, eine von zwölf ehrenamtlichen Mitarbeitern, hat eigens für die Gottesdienste noch einmal mit 66 Jahren Theologie studiert. Bis April vorigen Jahres verfügte das Haus über eine halbe Pfarrstelle. Diese wurde gestrichen. „Das Haus lebt nur von der Ehrenarbeit“, sagt Geißler. Lediglich eine Sekretärin sowie zwei Köchinnen seien fest angestellt.

Gemeinsam mit einem Betriebswirt hat der Vorstand nun einen Plan erstellt: Mehr Gästeauslastung, mehr Werbung und Einsparungen stehen auf dem Programm. Die christlichen Themen sollen mehr in den Vordergrund rücken, indem Gemeinden in der Umgebung das Haus als Treffpunkt nutzen sollen. Von Meditationsarten wie Zen und Qi Gong wollen sich die Organisatoren aber nicht verabschieden: „Dann würden uns wichtige Gruppen und damit auch Einnahmequellen wegfallen“, sagt Geißler.

Pröpstin Friederike von Kirchbach, die die Kirchenleitung vertritt, will sich erst nach der Kuratoriumssitzung mit dem Trägerkreis am 16. April äußern. Auf der Sitzung soll entschieden werden, ob das Haus der Stille eine Zukunft hat oder nicht. Für Thomas Czwalinna, der seit zwei Jahren die Meditationskurse besucht, ist das Haus eine feste Institution in seinem Wochenplan geworden: „Ich habe hier meinen Weg gefunden“, sagt der Ausbildungsleiter eines großen Unternehmens. Die mögliche Schließung macht ihn nachdenklich: „Es geht nur noch um Wirtschaft und Geld. Was die Seele berührt, kommt hinten an.“

Liva Haensel

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