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Hot Chip

© promo

Hot Chip: Die Soundbastler

Der Auftritt der Woche: Die britische Elektroband "Hot Chip" verdrahten Subkultur und Mainstream miteinander.

Lustige Fotos. Zu enge T-Shirts, zu große Brillen, und jeder guckt in eine andere Richtung. Wie Aliens, die gerade erst in diese Körper gesteckt worden sind und noch nicht recht wissen, was sie damit anfangen sollen. Hot Chip aus London präsentieren sich auf ihren Promobildern als Nerds, die nicht wissen, was sie tun. Dabei wissen sie das genau.

Auf den Tanzflächen der Indie-Clubs wird der heitere Elektropop der Briten schon einige Jahre gefeiert, und mit ihren Remixen für Amy Winehouse, Queens of the Stone Age und viele andere festigten sie ihren Ruf als Erneuerer der Tanzmusik. „Made in the Dark“, ihr drittes Album, setzte jetzt nicht nur die Fachpresse unter Strom, sondern auch die Feuilletons. Ein weiterer Beweis dafür, dass die Grenzen zwischen Subkultur und Mainstream gefallen sind.

„Ich hatte nie etwas dagegen, Mainstream zu sein“, sagt Sänger Alexis Taylor. Er und Joe Goddard, der vor allem für die Beats zuständig ist, haben sich schon in der Schule kennen gelernt und gemeinsam Songs geschrieben. Die beiden spielen gerne mit ihren Gegensätzen. Der schmächtige Taylor erinnert mit seiner hellen, samtweichen Soulstimme mal an Nick Drake, mal an Al Green, während der füllige Joe Goddard mit seinem Brummelbariton dagegen steuert. Die drei anderen brachten ihre Vorlieben für Hip Hop oder Minimal Techno mit. Und das alles werfen Hot Chip in ihrem Heimstudio zusammen.

Die fünf Musiker, von denen jeder auch als DJ aktiv ist, führen einen neuen Umgang mit musikalischen Möglichkeiten vor. Das Internet hat die ganze Musikgeschichte für alle verfügbar gemacht und damit nicht nur die Plattenindustrie in die Knie gezwungen, sondern auch Genres und Szenen aufgelöst. Ein Techno-DJ legt heute auch mal Rock oder 90er-Pop auf. Die Popgeschichte ist zum großen Baukasten geworden, und kaum jemand bedient sich daraus so virtuos und originell wie Hot Chip.

Die harten Beats und die „Pling Pling“-Sounds des Minimalhouse vertragen sich hier aufs Beste mit zarten Folk-Melodien und dem Schmiss von R’n’B. „Wrestlers“ zitiert gar R. Kelly. Doch wo man eigentlich den großmäuligen Rap-Teil erwartet, verliert sich Joe Goddard in unverständlichen Silben.

Die Briten perfektionieren eine Haltung, die immer mehr junge Musiker teilen: sich bloß nicht zu ernst nehmen. Authentisch ist, wer eben gerade nicht großspurig seine Aufrichtigkeit bekundet. Was zählt, ist nicht ein Kunstwerk für die Ewigkeit, sondern das Feiern des Moments. Dieses Prinzip zeigt sich am besten live, wenn Hot Chip an ihren Laptops und Samplern schrauben. Willkommen in der Bastelstube.

Sonntag, 21 Uhr, Postbahnhof, Straße der Pariser Kommune 3

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