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Junggeun OH "Die Zwischenräume Unter den Linden V" 140x100cm Öl auf Leinwand 2007.

© galerie son

Junggeun Oh: Von Räumen und Freiräumen

Der Koreaner Junggeun Oh bannt Berliner Architektur auf Leinwand.

Manchmal bleiben Passanten stehen und gucken neugierig, was Junggeun Oh in den Skizzenblock zeichnet. Aber es sind meistens nur abstrakte Formen auf dem Papier zu sehen. Schauen sie doch mal hoch, sagt er dann, das Stück Himmel zwischen den Dächern dort, das ist ein Dreieck.

Heute ist Junggeun Oh, 39, nicht draußen auf der Straße, sondern in seinem Atelier in Wedding. Er trägt Jeans und Cordmütze und betrachtet sein neuestes Gemälde. Im Regal liegen Farbtuben, auf einem kleinen Stuhl stehen ein paar Espressotassen. Es ist ein winziger Raum im obersten Stockwerk. Auf vielen Gemälden erkennt man auf den ersten Blick nur Formen wie Scherenschnitte oder scharf gezogene Schatten. Es sind Berliner Gebäude, die der koreanische Künstler auf Leinwand bannt. Genauer: die Zwischenräume zwischen Gebäuden. Junggeun Ohs Bilder beginnen dort, wo die Architektur aufhört. "Manchmal erkennt man das Wesentliche besser, wenn man daneben guckt", sagt er. An einem Haus sei so viel dran, was einen ablenke. So viele Schichten. Das sei wie bei den Menschen. Man sieht die Oberfläche, aber man spürt die Schichten darunter. Aber je mehr Aspekte man gleich zu Anfang erfährt - Alter, Beruf, Herkunft - desto unfreier ist der Blick.

Seit zwei Jahren lebt der Künstler mit seiner Frau und seinem Sohn in Berlin, läuft mit Fotoapparat und Block durch die Stadt und blickt auf ihre Gebäude. Wer seine Arbeiten sehen will, kann in die Galerie Son in der Wallstraße gehen, dort hängen derzeit 50 seiner Bilder.

"Ich gebe mir viel Mühe"

In Korea hat er viel mit Holzschnitt gearbeitet und gelernt, wie sehr man auch am Dazwischen schaben muss. Seine Formen sind durch die Architektur geschaffen, sich kreuzende Linien, die zu geometrischen Figuren werden. Zu Hause in Seoul, am Anfang seines Künstlerdaseins, wollte er vor allem gefallen, sagt Junggeun Oh. Gegen diesen Drang kämpfe er noch heute, wenn er seine Skizze auf Leinwand übertrage und sich dabei immer weiter von dem Gegenstand entferne. Er will, dass die Menschen Schönheit in seinen Bildern finden: "Ich gebe mir viel Mühe." Mühe zu suchen, bis er seine Zwischenräume findet.

Junggeun Oh legt seine kleinen Hände in den Schoß. Er verbringt viel Zeit in seinem Atelier, das nach Farbe riecht. Das Radio spielt klassische Musik. Vierzehn Stunden braucht er für ein kleines Feld, das er mit dem Pinsel bearbeitet. Eine Schicht nach der anderen. "Und immer eine andere Farbe", sagt er und zeigt auf den Rand der schwarz bemalten Leinwand, an der noch Reste einer roten Farbschicht zu sehen sind. Schwarz wie die Asche und der Tod, rot wie das Blut und das Leben. "Ich bin gierig", sagt er. Gierig zu sehen und zu verstehen. In Zukunft will er sich noch weiter vorwagen, in die Hinterhöfe und Treppenaufgänge jenseits der Sehenswürdigkeiten. In die Innereien der Stadt dringen, seinen Mikrokosmos betreten. Die kleinen Dazwischens finden. Als er neulich in seinem Atelier arbeitete, malte sein Sohn auf einer kleinen Leinwand mit ein paar Farben. Das Bild war ganz rot, mit symmetrischen Linien, er hat es "Nach Papa" genannt.

Junggeun Ohs Werke sind noch bis zum 28. Januar in der Galerie Son, Wallstraße 16, zu sehen. Di-Sa 11-18 Uhr.

Johanna Lühr

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