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© ddp

Konzert: Radioheads Rückkehr im Ökolicht

Nach sieben Jahren kehren Radiohead morgen in die Wuhlheide zurück – mit neuem Bewusstsein und Öko-Lichtshow.

Radiohead sind keine Band zum Rumhampeln. Als neulich beim Konzert in Manchester die Fans zu drängeln und hüpfen begannen, schritt Sänger Thom Yorke sofort ein. „Das reicht. Oder sehen wir aus wie die Arctic Monkeys?“ Dann war Ruhe.

Es ist nicht leicht, ein Anhänger dieser Band zu sein. Man kann viel falsch machen. Wenn das Quintett aus Oxford morgen Abend in der Wuhlheide auftritt – es ist ihr einziges abendfüllendes Deutschlandkonzert in diesem Jahr – sollte man mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Radiohead haben ausdrücklich darum gebeten, wegen der CO2-Bilanz. Sie selbst bringen zwar eine riesige Lichtanlage mit, aber immerhin eine energiesparende. Es soll endlich Schluss sein mit den Rockbands, die ökologisches Bewusstsein predigen, aber selbst Strom verschwenden.

Das Experiment hat in der Branche einiges Aufsehen erregt. Noch mehr natürlich das Wagnis der Band im vorigen Herbst, ihr Album „In Rainbows“ nicht auf CD zu pressen, sondern ins Internet zu stellen und jeden selbst entscheiden zu lassen, ob und wie viel er fürs Runterladen bezahlt. 1,2 Millionen Menschen wollten das Datenpaket haben, und obwohl keine Zahlen genannt wurden, hat es sich für die Band finanziell gelohnt, heißt es. Das eigentliche Wunder: Nachdem „In Rainbows“ Monate später doch noch auf CD erschien, stieg es trotz allem auf Platz Eins der US-Charts.

"Creep" wird konsequent nicht gespielt

Offiziell ist das morgige Konzert ausverkauft, wer hin will, muss 100 Euro auf Ebay bezahlen oder vor Ort auf einen halbwegs gnädigen Schwarzmarkthändler hoffen. Was man während der Show besser nicht machen sollte: sich den Song „Creep“ wünschen, sonst wird man von den Umstehenden schief angesehen. „Creep“ ist die Depri-Hymne, mit der die Band 1993 berühmt wurde. Der Gassenhauer unter den Radiohead-Songs, den Musikern ging er schon nach einem Jahr auf die Nerven. Seitdem verfolgt er Radiohead „wie ein Dämon“, sagt der Gitarrist.

Welche Songs die Briten stattdessen spielen, lässt sich vorher nicht sagen. Ihre Auftritte sind Unikate. Für die Tour haben sie ein Set von 60 Songs, die sie selbst als „brauchbar“ erachten. Aus denen wählen sie jeden Abend neu aus. Das machen sie nicht, um ihr Publikum zu überraschen. Sondern um sich nicht selbst zu langweilen. Radiohead touren nicht gerne, vor allem jetzt, da alle Familie haben. Die Fans freut’s, im Internet werden Songauswahl und Abfolge jedes Konzerts dokumentiert. Und es wird versucht, in der Auswahl ein sinngebendes Muster zu erkennen. Das ist wohl überhaupt der Kern dessen, was es ausmacht, diese Band zu verehren: ständig zu versuchen, sie zu verstehen. Eine Aussage herauszufiltern aus den kryptischen Songzeilen, die Sänger Thom Yorke mal zu gebrochenem Rock, mal zu Elektrogefrikkel ins Mikro jammert. Gewissheit hat man nie, höchstens eine eigene Vorstellung. Und Yorke lehnt es natürlich ab, über die Intention seiner Texte zu sprechen. Herrlich.

Ihr letztes Freiluftkonzert in Berlin ist sieben Jahre her, das Publikum war definitiv das ruhigste, schweigsamste der Bandgeschichte. Es war der 11. September 2001, wenige Stunden zuvor waren in New York die zwei Türme eingekracht. Band und Veranstalter entschieden sich, den Auftritt nicht abzusagen. Die letzte Zugabe – „Street Spirit“ – widmete Yorke damals George W. Bush. In der Hoffnung, dass der US-Präsident auf den Terror besonnen reagiere. Eine ziemlich klare Aussage für einen Abend mit Radiohead.

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