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Kunstparty Kreuzberg

© DAVIDS/Darmer

Kreuzberg: 30 Stunden Kunstparty

Normalerweise gibt es hier einen Blumengroßmarkt, jetzt wurden Kunstprojekte installiert. Seit 15 Jahren bemühen sich Berliner Künstler um eine Kunsthalle, jetzt gab es den ersten großen Praxistest in Kreuzberg.

Die Zeit für die Transformation war knapp: Am Sonnabendvormittag wurden in der großen Halle in der Kreuzberger Lindenstraße noch Blumen verkauft, und am Montagmorgen geht der Handel um fünf Uhr morgens wieder los. Die 30 Stunden dazwischen hat die „Initiative Berliner Kunsthalle“ für einen Praxistest namens „Kunstinvasion“ genutzt – und bewiesen, dass sich die 6 000 Quadratmeter gut für Ausstellungen eignen. „Die Architektur der Halle stand für uns im Vordergrund“, sagte Koordinatorin Susanne Husse. Deshalb seien die Ausstellungsstücke überwiegend Raumarbeiten wie Skulpturen und Installationen.

In der „Initiative Berliner Kunsthalle“ haben sich Kulturinstitutionen und Künstlerverbände zusammengeschlossen und nach einem Standort für eine neue Kunsthalle gesucht – und ihn gefunden: Sie wollen die Halle, wenn 2010 die Blumenhändler in die Beusselstraße umziehen, wo auch der Berliner Großmarkt angesiedelt ist. Eine temporäre Kunsthalle wird demnächst am Schlossplatz errichtet, für eine dauerhafte Halle ist aber noch kein Platz gefunden.

„Eine Kunsthalle wird in der Hauptstadt seit 15 Jahren schmerzlich vermisst“, sagte Christoph Tannert, Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien. Mit fünf Kollegen hat er aus 450 Künstlern 65 ausgewählt, darunter die japanische Künstlerin Noriko Yamaguchi. Die hatte sich die Toilette als Ausstellungsort für ihre Arbeit „Growing“ ausgesucht. Und so hing über dem Arbeitsplatz von Toilettenfrau Silvia Schumann das ganze Wochenende ein überdimensionales, aus Papier geknüpftes Netz, das die Künstlerin in acht Stunden gewoben hatte. „Ich darf das hinterher hier hängen lassen“, sagte Schumann nicht ohne Stolz.

Die Mehrheit der Künstler präsentierte ihre Arbeiten aber auf dem Steinboden der Markthalle, ein Exponat neben dem anderen – oder über allen anderen. Die Künstlergruppe FS8 der Kunsthochschule Weißensee hatte sich für ihr Projekt „Jump“ mit acht Frauen wie Bergsteiger an einen Balken der Halle gehängt und mit Armen zu verschiedenen Mustern verbunden. Für Bernhard Kraker von Schwarzenfeld, Sprecher von FS8, ist die Halle absolut ausstellungstauglich: „Der Raum hat Nordlicht, das ist eigentlich nur für Kunst geeignet – und für Blumen“, sagte er.

Im Keller der Halle hatte der Videokünstler Christian Niccoli zwischen Abstellkammern einen kleinen weißen Raum bezogen. Sein Film „Planschen“ zeigt 60 Menschen, die in Schwimmreifen im Wasser treiben, der eine gelassen, der andere weniger. „Ich will den Schwebezustand zeigen, in dem viele Berliner leben“, sagte er. Für viele führe das Meer an Möglichkeiten zu einem Gefühl der Verlorenheit.

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