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Literatur: Schreibstube Großstadt

Sie sind begehrt, treffen sich in Villen, wohnen in Neukölln: Viele junge Autoren zieht es nach Berlin. Warum verschlägt es so viele junge Büchermacher an die Spree?

Immer mehr Autoren zieht es nach Berlin. Dabei sitzen die großen Verlage in München und Köln, ebenso viele Literaturagenten, und billige Mieten allein können auch nicht der Grund sein. Warum also verschlägt es so viele junge Büchermacher an die Spree? Eigentlich sei das ja ganz simpel, meint Jörg Albrecht, "weil es hier so viele Leute gibt, die schreiben".

Auf Lesungen junge Leute treffen, debattieren – das kannte Albrecht nicht aus dem Ruhrgebiet. Wichtiger Ort ist für den 25-Jährigen die "Lettrétage" in einer alten Villa in der Kreuzberger Methfesselstraße. Seinen literarischen Durchbruch erlebte er vor zwei Jahren als Gewinner des Open Mike, eines der wichtigsten Preise für junge Autoren, verliehen von der Berliner Literaturwerkstatt.

Wenn die ausgewählten Autoren drei Tage lang um die Wette lesen, geben sich Lektoren, Verleger und Literaturagenten die Klinke in die Hand. Sie suchen frische Talente, denn der Markt giert jedes Jahr erneut nach unzähligen Neuerscheinungen. Auch Jörg Albrecht, der in diesem Jahr für den Ingeborg-Bachmann-Preis vorgeschlagen wurde, kam so zum Verleger seines Debütromans. "Drei Herzen", ein Parforceritt durch Geschichte und Gegenwart, durch Realität und ihre Spiegelungen, erschien im vergangenen Jahr im Wallstein Verlag.

Berlin als Fundus an Geschichten

Doch es kann auch anders gehen. "Preise sind wichtig für die Bekanntheit, häufig entdecken wir Autoren auch in Literaturzeitschriften, Anthologien oder über Mund-zu-Mund-Propaganda", sagt Diana Stübs, Mitarbeiterin der Berliner Literaturagenten Eggers & Landwehr. Aufmerksam auf die Autorin Lucy Fricke wurden sie durch einen gemeinsamen Freund. So konnten Verträge gemacht werden, bevor Fricke ebenfalls den Open Mike gewann. Für Diana Stübs ist Berlin die Literaturhauptstadt. "Berlin ist für Autoren mit Abstand der wichtigste Ort, das wird auch so bleiben", sagt Daniela Seel, die Verlegerin der Kook Books, die Lesungen im Kaffee Burger veranstaltet. Diese würden sich zunehmend in Neukölln und Wedding niederlassen, Prenzlauer Berg sei zu etabliert und teuer für die junge Schreiberszene geworden. Für viele ist Berlin ein Fundus an Geschichten, die Stadt selbst werde aber selten zum Thema.

Lucy Fricke erntete großen Applaus, als sie zuletzt im Polnischen Institut aus ihrem ersten Roman las. In ihrem Debüt "Durst ist schlimmer als Heimweh" geht es um Gewalt in Familien, es erscheint im Herbst beim Piper Verlag. Die gebürtige Hamburgerin arbeitete einige Jahre als Regieassistentin bei Filmproduktionen, bevor sie sich dem Schreiben widmete. "Eigentlich wollte ich immer schreiben, aber es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich mich getraut habe, es zu probieren", sagt die 33-Jährige. Ihren Lebensunterhalt finanziert sie wie viele andere durch verschiedene Jobs und Stipendien. Das letzte brachte sie nach Krakau in die Villa Decius, doch Lucy Fricke wollte von ihrem Schreibtisch anstatt auf grüne Wiesen wieder lieber auf den Lausitzer Platz blicken.

Auch Jörg Albrecht arbeitet am liebsten in seiner Kreuzberger Wohnung, unter und über der viele seiner Freunde wohnen. "Ich habe Angst vor fremden Häusern und beim Arbeiten am liebsten alle meine Bücher um mich", sagt er. Der Blick aus seinem Fenster hat es ihm weniger angetan, dafür aber der Weg zur U-Bahn: durch ein Stück von Kreuzberg, an der Kirche am Südstern vorbei.

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