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Marusha

© Stella del Monaco

Marusha: Gut aufgelegt

Mit dem Radio ist Schluss für Techno-Star Marusha. Doch mit der Loveparade geht’s für sie weiter. Und mit einem neuen Album.

Der Countdown läuft, und er verheißt nichts Gutes. Noch zwei Mal wird Marusha raus nach Potsdam fahren, beim Radiosender Fritz ihre Samstagabendshow „Rave Satellite“ moderieren – dann ist Schluss. Nach mehr als 14 Jahren und fast 900 Sendungen. „Zu alt“, lautet die Begründung der Senderchefs, die jüngere Moderatoren ins Programm bringen wollen. Über das Aus der Sendung informierten sie den Techno-Star am Telefon.

„Ich bin nicht traurig, dass es zu Ende geht, nur das Wie war merkwürdig“, sagt Marusha. Seit 1990 macht sie Radio, erst beim früheren DDR-Sender DT64, drei Jahre später dann bei Fritz. Mit „Rave Satellite“ hat sie seither nicht nur dem musikalischen Nachwuchs eine Plattform geboten, sondern auch gestandenen DJ-Kollegen. Dass es in der kommenden Woche damit vorbei sein wird, versucht die DJane und Musikproduzentin gelassen zu sehen: „Wenn sich eine Tür schließt, gehen zwei neue auf.“ Es habe ihr viel Spaß gemacht, für die Hörer da zu sein, aber sie klebe nicht an der Sendung.

Braucht sie auch nicht, denn die 40-jährige Berlinerin hat genügend andere Projekte zu laufen. Für die Internationale Friedensstiftung war sie gerade erst in Thailand, um Geld für ein Hilfsprojekt für aidsinfizierte Slumkinder in Bangkok zu sammeln. Zudem hat Marusha eine Modekollektion entworfen, die bald erhältlich ist. Und dann ist sie auch noch Jury-Mitglied in der TV-Castingshow „Popstars“, hat eine neue Platte aufgenommen und legt immer noch regelmäßig auf. Am 25. August etwa, dem Tag ihrer letzten Sendung. Nach der Abmoderation fährt die gebürtige Nürnbergerin, deren Markenzeichen einst die grünen Augenbrauen waren, gleich zur Loveparade nach Essen.

Bei all diesen Jobs ist Marusha derzeit vor allem am liebsten eins: Mutter. Vor zwei Jahren kam Sohn Quentin zur Welt, er hat nicht nur ihren Tagesablauf verändert, sondern sie auch zu ihrer neuen Platte inspiriert. „Heat“ heißt das Werk und soll voraussichtlich Ende September erscheinen. „Ich habe mit den Arbeiten zu dem Album vor zweieinhalb Jahren angefangen, damals war ich gerade mit meinem Sohn schwanger.“ Vielleicht sind die neuen Songs deshalb nicht mehr so kühl und stakkatohaft wie auf ihrem ’94er Debüt „Raveland“. Damals landete Marusha mit der Platte ihren bislang größten Hit: „Somewhere over the rainbow“, ein Techno-Remake des Judy-Garland-Klassikers. Die Neuauflage verkaufte sich 500 000 Mal und kletterte bis auf Platz drei der deutschen Charts.

An so einen Erfolg anzuknüpfen, wird natürlich schwer. Am besten, man setzt sich diesbezüglich nicht unter Druck, so hat es zumindest Marusha getan. Statt an ihre musikalische Vergangenheit anzuknüpfen, hat sie bei „Heat“ einfach Neues ausprobiert. Zum Beispiel mit der Marzahner Sängerin Heidi Hoffmann. Oder dem Schweizer Komponisten Dany Nußbaumer. Insgesamt ist die Platte melodischer, weicher, mitunter sogar mit rockigen Einflüssen. Das Video zur ersten Singleauskopplung „What I Say“ dreht die Künstlerin, die mit vollem Namen Marusha Aphrodite Gleiss heißt, in der nächsten Woche in Berlin.

Das Erstaunliche am Werdegang der Deutsch-Griechin: Dass sie nach all den Jahren immer noch zu den Großen der Szene zählt, nicht abgestürzt ist wie so viele Stars, denen plötzlicher Ruhm zu Kopf steigt. Deshalb kommen die Fans der gelernten Industriekauffrau auch heute noch in Scharen, wenn sie sich zu einem Auftritt ankündigt: Frauen und Männer, die mit Marushas Musik groß geworden sind, ebenso wie Teenager, die sie gerade erst für sich entdeckt haben. Ein Umstand, der die Musikerin in ihrer Arbeit bestätigt. „Mich hat noch nie jemand darauf angesprochen, dass ich zu alt bin für meinen Job“, sagt sie. „Außerdem geht es nicht ums Alter, es geht um Musik und Kompetenz.“

Das sehen ihre Chefs bei Fritz offenbar anders – ganz im Gegensatz etwa zu Kollegen in Großbritannien. Auf der Insel wäre es jedenfalls undenkbar gewesen, einen Pop-Experten wie John Peel oder einen Hiphop-Fachmann wie Tim Westwood aus dem Programm zu nehmen, bloß weil sie ein vermeintliches Haltbarkeitsdatum überschritten haben sollen. Ob Marusha weiter Radio machen will, vielleicht bei einem anderen Sender? „Darüber denke ich zurzeit gar nicht nach“, sagt sie, „ich habe in meinem Leben gelernt loszulassen.“ Auch wenn sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen: Ein bisschen Wehmut klingt bei diesen Worten mit.

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