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Zielniok

© Kitty Kleist-Heinrich

Meine 7 Sommersachen: Freiheit auf Brasilianisch

Was wäre ein Sommer ohne ... Havaianas! Der Rolls Royce unter den Flipflops schickt die Füße in die Ferien. Markus Zielniok hat einen Laden voller Zehensandalen. Er hortet 300 Modelle.

Von Susanne Leimstoll

Der Mann im Video auf der Website, grau meliertes Haar, altersloses Gesicht, Typ Akademiker, hat vermutlich einen Doktortitel auf dem Fachgebiet Havaianas. Er ist 48 und weiß alles über jene Zehensandale, den Rolls Royce der Gattung Flipflops. Etwa, dass das Einstiegsmodell (weiße Decksohle, bunte Zehenriemen, Naturkautschuk) 1962 als Arbeiterschuh auf den brasilianischen Markt kam. Dass der Nachfolger „Top“ (Sohle und Riemchen einfarbig bunt) Brasilien 1994 im Sturm eroberte. Dass das Modell Brazil (dreifarbige Sohle, kleine brasilianische Flagge an der Schlaufe) dem Hersteller 1998 zur WM den internationalen Durchbruch verschaffte. Seither rennt offenbar die halbe Welt auf Havaianas rum, nur Deutschland braucht noch einen Schubs.

Markus Zielniok, der Mann aus dem Video, arbeitet dran. Die Natur des Schuhs entspricht ja dem deutschen Naturell, dem Hang zum Soliden eben: fast unverwüstlich, 2500 Kilometer garantierte Laufleistung, rutschfest, wasserfest, ab 16 Euro zu haben. Ein Saisongeschäft, klar. Von Mai bis August herrscht Auftragsschwemme, aber mittlerweile, sagt Zielniok, werde übers ganze Jahr geordert. Havaianas sind ja auch Sport- und Saunalatschen.

2007 stieg der IT-Experte gemeinsam mit seiner Frau, einer Brasilianerin, in den Online-Handel mit Havaianas ein. Im selben Jahr eröffneten die beiden im Erdgeschoss des Hauses, in dem sie wohnen, einen ganz kleinen Laden mit ganz großem Lager für etwa 300 verschiedene Modelle und tausende Einzelpaare. Die „Strandsandale“ findet jeder. Der Eingang führt durch einen um die Tür herum auf die Fassade gemalten riesigen Fuß mit Riemchen zwischen den Zehen.

„Flipflop“ kommt Markus Zielniok nicht über die Lippen. Flipflop, das ist sechziger Jahre und ausgelatschter Schaumstoff. Havaianas dagegen sind stabil, doch von poröser Weichheit, sind Naturkautschuk plus Neopren, Isopren oder so was. Das Rezept für die Gummimischung wird gehütet wie das von Coca-Cola. Zielnioks Kunden wollen das Original, denen kommt nicht irgendwas an die Füße. Im Laden hängen die Schuhe wie Schmetterlinge an den Wänden: zitronengelb und meerblau, glutrot und waldgrün, flieder und schwarzweiß, gestreift, kariert, mit Kringeln und Pünktchen und Blümchen und Kaligrafie. Die Schlaufe mit Pailletten besetzt, perlenbestickt oder – zu 200 Euro – mit Swarowski-Steinen, 14-Facetten-Schliff. 200 Millionen Paare fertigt der Hersteller Sao Paulo Alpargatas pro Jahr, 2,6 Milliarden seit der Firmengründung, 400 verschiedene Modelle pro Kollektion. Die meisten Schuhe werden in Brasilien verkauft, viele in Neuseeland, Italien, Frankreich, den USA. In Deutschland liegen Flipflops für den Sommer seit kurzem im Trend. Ein Drittel der Leute auf der letzten „Bread and Butter“ hätten Havaianas getragen, schwört Zielniok. Er selber besitzt „ein Dutzend oder mehr“. Die Käufer sind so individuell wie die Modelle. Eine Touristin geriet im Geschäft ins Schwärmen. Sie hatte das Modell wiedergefunden, das sie ihre Kindheit hindurch getragen hatte. Eine Frau kaufte ein pechschwarzes Paar in Herrengröße. Sie sagte, der letzte Wunsch ihres verstorbenen Freundes sei es, in Havaianas begraben zu werden. Eine Braut hat sich neulich getraut: Sie kombinierte ein schneeweißes, edelsteinbesetztes Paar zu ihrem Traum in Weiß. „Na gut“, sagt Zielniok und kichert ein bisschen, „sie hatte sich kurz vor der Hochzeit den Zeh gebrochen.“

„Strandsandale“, Hohenstaufenstraße 58, Schöneberg. Di–Fr 12–18, Sa 10–18 Uhr. www.strandsandale.de

In der nächsten Folge am Dienstag, 4. August, geht es um den Strohhut.

HEUTE NUMMER 1:

Flipflops

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