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Spirit of Fashion

© Heerde

Messe: Mode für den Untergrund

Mehr als Lack und Leder: Die Szenemesse "Spirit of Fashion" zieht Fans von Gothic, Punk und Rock an.

Der Laufsteg ist mit rotem Samt bezogen, mit weißer Spitze besetzt und schwarzen Schleifchen verziert. Sieht ganz harmlos aus, aber hier wird keine Pudelshow gezeigt, hier führen Modemarken wie „Queen of Darkness“, „Jungbluth“, „Sailor Jerry“ und „Hard Leather Stuff“ an diesem Wochenende ihre Produkte vor. In der Arena in Treptow treffen sich noch bis Sonntag „modische Randgruppen“. So nennt das Tim Oberem, einer der Gründer der Undergroundmodemesse „Spirit of Fashion“, ausschließlich für Fachpublikum. „Hier ist nicht alles schwarz“, sagt er und versucht damit dem Vorurteil zu begegnen, hier werde vor allem Lack, Leder und Fetischzubehör für das nicht öffentliche Nachtleben präsentiert. Schwarz bedeutet auf der Messe vor allem Gothic. Menschen dieser Stilrichtung mögen düstere Musik, sind theatralisch geschminkt und tragen vorwiegend dunkle Farben. Auch für die Rockabillys und Punks gibt es hier passende Kleidung und Accessoires.

Zusammen mit Oliver Wals hat Tim Oberem vor fünf Jahren die erste „Spirit of Fashion“ in Hamburg veranstaltet. Schnell merkten sie, dass Berlin der bessere Ort ist: „Hamburg ist ganz schön konservativ. In Berlin – gerade in Kreuzberg – lebt sich die Szene mehr aus, da sieht man unsere Mode auf der Straße.“ Überhaupt findet Tim Oberem, dass seine Aussteller durchaus Straßenkompatibles zeigen. Aber er weiß auch, dass die Fernsehteams, die sich in Scharen ankündigt haben, vor allem Lack und Leder wollen, eben die fünf Prozent der Produkte, die man nicht unbedingt zu Jeans und Turnschuhen kombinieren kann.

Die Hälfte der rund 70 Aussteller kommt aus Deutschland, mehr als 30 Prozent sind aus den USA angereist. „Die kommen besonders gern hier in die Arena. Für die ist es eine krasse Geschichte, direkt auf der Grenze zwischen Ost und West zu sitzen“, sagt Tim Oberem. Der 33-Jährige ist zufrieden mit seinem Ausstellungsort direkt an der Spree und damit, endlich nicht mehr im Schatten der großen Berliner Modemessen zu stehen. „Wir zeigen zum ersten Mal nicht an einem Berliner Modewochenende, da gibt es für unsere Besucher seit dem Fortzug der Streetwearmesse Bread & Butter keine Überschneidungen mehr.“

Ansonsten ist Inszenierung, laut Oberem, bei solch einer Veranstaltung „sterbenswichtig“. Mit DJs, Bars, Modenschauen und Burlesque-Shows à la Dita von Teese, Stripteasetänzerin und Ex-Frau von Marylin Manson, will er die „Spirit of Fashion“ zu einem Happening machen.

Auch für die Models gibt es besondere Anforderungen. „Groß und dünn“ sind hier keine wichtigen Kriterien. Für eng geschnürte Korsagen,nietenbesetzte Ledermäntel und bodenlange Kleider in barocken Brokatstoffen können die Veranstalter die üblichen Models nicht gebrauchen. „Wenn du möglichst viele Piercings hast, passt du hier rein.“

Längst hat sich die Gothic-Szene professionalisiert: Kein Gruftie muss sich heute noch ein Samtkleid mit schwarzem Umhang selber nähen, heute bekommt man die komplette Ausstattung auf der Spirit of Fashion. Immerhin 1000 Läden in Deutschland kaufen hier ein. Aber auch große Theater suchen hier für die nächste Don-Carlos-Inszenierung nach kostengünstigen Kostümen.

Und noch etwas hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Der Totenkopf ist zu einem massenkompatiblen Symbol geworden: „Inzwischen findet man die sogar auf Kinderkleidung“, sagtTim Oberem. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, dass die Aussteller der Spirit of Fashion auf ihr Lieblingssymbol verzichten würden. Es wird eben noch kunstvoller eingesetzt. Am Stand vom Label Clarabella hängt ein Rockabilly-Kleid mit einem niedlichen Kirschmuster – auf den ersten Blick. Beim näheren Hinsehen entpuppen sich die Früchte als grinsende Totenköpfe.

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