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Stadtleben: Mitte rüstet ab

Nach den Filmaufnahmen für „Valkyrie“ sind die Wehrmachtsfahrzeuge wieder abgerückt

Zur Enttäuschung vieler Berliner und Touristen marschiert die Wehrmacht an diesem Sonntag nicht wie tags zuvor am Leipziger Platz auf, sondern zwischen Voß- und Wilhelmstraße. „Aufsitzen“, schreien Offiziere, 50 Soldaten sitzen auf den alten Mannschaftswagen stramm, die Gewehre vor sich zwischen den Knien. Fünf alte Mercedes-Fahrzeuge setzen sich, in Dieseldunst gehüllt, nacheinander in Bewegung, überqueren rasant die Leipziger Straße und kurven dann rechts in den Hof des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums.

Nach fünf Minuten verlassen Fahrzeuge und Mannschaften den Hof, die Laster rollen zurück, gedreht wird vorsichtig auf der Kreuzung Leipziger Straße, dann fahren sie im Rückwärtsgang zum Ausgangsort. Das wird tagsüber mehrmals wiederholt. Mit der Szene enden die zweitägigen Außenaufnahmen für den 1944 spielenden Stauffenberg-Film „Valkyrie“ an der Leipziger-/Ecke Wilhelmstraße, vor Görings altem Ministerium, das ohne Hakenkreuze und Reichsadler ab heute wieder Bundesfinanzministerium sein darf.

Nach Tom Cruise, dem Darsteller des Hitler-Attentäters, gucken sich die Zuschauer hinter den Absperrleinen auch an diesem Drehtag vergeblich um. Aber dafür bestaunen sie mit leichtem Schauder nicht nur die Scharen von Soldaten-Statisten, die das Gebiet zum Heerlager machen, sondern auch die zahlreichen uralten Militär- und Zivilfahrzeuge, die über die Straße knattern. Viele Mercedes-Laster sind dabei, auch Opel-Blitze, Kübelwagen von Volkswagen und Motorräder mit Beiwagen von NSU. Es fahren auch Mercedes-Limousinen, stilecht mit abgedunkelten Scheinwerfern und Tarnfarbe.

Henry Strasen ist nicht nur als Fahrer eines Panzerspähwagens im Einsatz, er hat auch einen eigenen Kübelwagen zur Filmproduktion beigesteuert. Die gut zwei Dutzend Originalfahrzeuge in dem Film stammen zu einem großen Teil aus privater Hand, von Sammlern, aber auch aus dem Besitz der Filmgesellschaft. Wie viele der alten Fahrzeuge noch existieren, ist schwer zu schätzen. Nach Öffnung der Grenzen kam aus Osteuropa viel altes Wehrmachtsgerät, das teilweise in der Landwirtschaft genutzt worden war, auf den Sammlermarkt. Es gibt aber auch Nachbauten. Originale bis 1945 seien kaum zu haben und „total überteuert“, erzählt Strasen.

Experte Stefan Pienkny weist auf größere Bestände alter Wehrmachtsfahrzeuge in Österreich, Frankreich, den USA und Tschechien hin. Nach seinen Erfahrungen werden etwa unrestaurierte Kübelwagen für Summen zwischen 12 000 und 20 000 Euro gehandelt, restaurierte kosten zwischen 25 000 und 30 000 Euro. Er wisse von Sammlern, die sich nur schwer von ihren Stücken trennen könnten – nicht mal vorübergehend.

Am Mittag dröhnt ein Schuss über die Wilhelmstraße. Soldaten und Zuschauer blicken irritiert um sich. Der Knall kommt unbeabsichtigt: Fehlzündung eines Wehrmachtsmotorrades. C. v. L.

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