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© dpa

Moabit: Jugendprojekt zeigt Aggressionsabbau durch Boxen

Zu Kick kommen viele Mädchen und Jungen, die polizeilich aufgefallen sind. Im Projekt des Vereins für Sport und Jugendsozialarbeit lernen sie, ihr oft aggressives Auftreten durch Boxtraining zu kontrollieren.

"Kennst du Klitschko?", fragt Seda. Ein Lächeln huscht über ihr gerötetes Gesicht, vom Boxen ist sie ganz aus der Puste. Eine Zahnspange blitzt auf. "Der ist einfach toll." Seda ist 16 Jahre alt, Türkin und wohnt in Berlin-Moabit. In ihrem jungen Leben hat sie schon viel geboxt. Allerdings nie wie ihr Vorbild, der Schwergewichtsweltmeister Wladimir Klitschko. Wenn Seda früher boxte, dann als Reaktion auf Beleidigungen. Zwei oder drei Mal wurde sie deswegen angezeigt. Dann musste sie zum Anti-Aggressions-Training und kam in das Kick-Projekt in Berlin-Moabit. Jetzt boxt sie wieder. Gegen sich selbst.

Zu Kick, einem Projekt des Vereins für Sport und Jugendsozialarbeit, kommen viele Mädchen und Jungen, die wie Seda polizeilich aufgefallen sind. "Das Einzige, was diesen Jugendlichen wirklich was bedeutet, ist Sport", sagt Thomas Jansen, Ex-Boxprofi und Sozialarbeiter bei Kick in Moabit. Diesen Aspekt nutzen er und seine Kollegen, um den Jugendlichen zu helfen. An insgesamt acht Berliner Standorten bietet Kick mittlerweile offene und kostenfreie Sportangebote an, beispielsweise Boxen, Eishockey, Fußball oder Klettern. "Beim Sport holen wir die Kids dort ab, wo sie sind", sagt Jansen. Soll heißen: Durch die gemeinsamen Erlebnisse entsteht eine lockerere und unverbindlichere Beratungssituation als in den Kontaktstellen.

"Da spart man sich den Ärger"

Insgesamt rund 40 Mädchen und Jungen boxen montags und donnerstags bei Kick in Moabit. Sie kommen regelmäßig oder sporadisch, sind aber immer willkommen. Nicht jeder ist gewalttätig, aggressiv oder wurde mal von der Polizei mitgenommen. Jelena zum Beispiel ist ein ganz "normales Mädchen". Sie wohnt in der Nähe und wollte einfach nur weg von der Couch und Selbstverteidigung lernen. Für ihre Trainingskollegin Canan war Selbstverteidigung nie ein Problem. Sie ist, wie sie sagt, "oft ziemlich aggressiv unterwegs" und will das durch das Boxen bei Kick abbauen. "Da spart man sich den Ärger", erklärt die 16-Jährige.

Dass Jugendliche wie Canan oder Seda bei Kick kleine Schritte in die richtige Richtung machen, ist sich Nina Penzlin, Kick-Sozialarbeiterin, sicher. Wenn die Jugendlichen Spaß hätten, kämen sie wieder, lernten Regelmäßigkeit und öffneten sich allmählich. Steter Tropfen höhlt den Stein. Dass der Sport kein Allheilmittel ist, weiß Penzlin aber auch. Nach zehn Jahren bei Kick macht sie sich nichts vor: "Wenn ein Jugendlicher regelmäßig herkommt, heißt das nicht, dass er abends nicht wieder einem auf die Mütze haut." Dennoch, die Erfolgserlebnisse beim Sport stärkten die sonst aggressiven Jugendlichen. Bei der nächsten schwierigen Situation, reagierten sie dann nicht mehr "wie eine geschüttelte Selters", wie Penzlin es blumig ausdrückt. Positives Lernen nennt sie das.

Erfolg ist spürbar, aber nicht in Zahlen messbar

Auch für Thomas Gritzka, Verhaltenstrainer der Berliner Polizei ist der Erfolg des Kick-Projektes spürbar. Er arbeitet als Mittler, bietet straffälligen Jugendlichen nach der Vernehmung das Kick-Projekt an. Zwar sind die Erfolge nicht in Zahlen fassbar, aber so sagt er, "das Projekt ist gut angelaufen. Den Jugendlichen macht es Spaß."

Seda ist nun seit einem halben Jahr beim Kick-Boxtraining. Der Sport helfe ihr, ihre Aggressionen zu bändigen. Früher schlug sie andere, heute einen Boxsack. Wenn Seda von ihrer Vergangenheit erzählt, starrt sie auf die rot-weiß-schwarzen Boxhandschuhe in ihren Händen, zieht sie an und dann wieder aus, dreht sie um die eigene Achse. Wenn sie vom Boxtraining bei Kick spricht, sucht sie Augenkontakt, strahlt voller Stolz. Ihr Vater war auch einmal Boxer, mit ihm trainiere sie manchmal zu Hause. "Jetzt muss nur noch meine Zahnspange raus und dann box' ich wie Klitschko." (ho/ddp)

Louisa Thomas[ddp]

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