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Museumscafés: Kunst plus Genuss

Berlins 170 Museen stillen nicht nur den Wissenshunger, sondern bieten auch Speisen und Getränke. Und manche sogar unter freiem Himmel.

In diesen Frühlingstagen wird die Widmung des Hamburger Bahnhofs als „Museum für Gegenwart“ täglich auf die Spitze getrieben. Denn in einem Seitenflügel des spätklassizistischen Gebäudes mit der Sammlung moderner Kunst, vor dem Museumsrestaurant der Fernsehköchin Sarah Wiener, vollzieht sich der aktuelle Trend direkt vor dem Auge des Betrachters: Alles strebt zurzeit zum Licht, und so stehen auch vor dem Museumsrestaurant des Hamburger Bahnhofs längst Tische und Stühle in der Berliner Frühlingssonne.

Auch andernorts passen sich Museumscafés den meteorologischen Umständen an: Im Restaurant Liebermann’s im Jüdischen Museum erobern die Gäste den frühlingsgrünen Laubengang und das Platanenwäldchen zurück, wenn sie mit ihren Getränken einen Platz zum Ausruhen suchen. Und auch am Holocaust-Mahnmal brummt die oft gescholtene „Fressmeile“.

Mehr als 170 Museen gibt es in Berlin, und viele davon versorgen ihre Besucher neben geistiger Nahrung auch mit Speisen und Getränken. Obwohl die kulinarische Auswahl oft ähnlich ist, bietet beinahe jedes Museumscafé auch ein paar Besonderheiten. Im Club Chill des Hanfmuseums gibt es beispielsweise Cola oder Tee aus Hanf. Im Jüdischen Museum wird koscherer Wein aufgetischt. Und in der Alten Nationalgalerie wiederholt sich in der mit gemütlichen Lederhockern ausgestatteten Espressobar die Ausstellung im Miniaturformat: Eine Liszt-Büste schaut zu, wenn man dem Espresso Zucker gibt.

Dabei liegen dort, im Sockelgeschoss der Alten Nationalgalerie, Vielfalt und Gleichförmigkeit nebeneinander. 20 Marmorstufen unterhalb der ersten Ausstellungsstücke beweisen schwer beladene Büchertische, wie umfangreich die Sammlung der Nationalgalerie auch auf dem Papier ist. Hinter einer Theke auf der rechten Seite bestätigt dagegen eine Preistafel ein anscheinend ungeschriebenes Gesetz der Museumsgastronomie: Die Ausstellungsorte mögen noch so verschieden sein, sie können noch so einzigartige Kunstwerke beheimaten, an einer Stelle werden sich alle ähneln: auf der Kaffeekarte. Auch in der in den Museumsshop integrierten Bar der Alten Nationalgalerie genießt man die üblichen Verdächtigen: Milchkaffee, Latte Macchiato und doppelten Espresso.

300 Meter weiter auf der Museumsinsel, im Café Pergamon, sind wie auch in der Nationalgalerie einige Kunstwerke in den Restauranträumen ausgestellt. Über dem Eingang hängt ein Wandfries, daneben finden sich altertümliche Masken, angeleuchtet von Deckenstrahlern. Die Baugerüste an der Außenfassade verstärken das Schummerlicht. Auf den gepolsterten Bänken im hinteren Raum liegt eine Frau und verarbeitet das gerade Gesehene bei einem Nickerchen. Sehr aufmerksam sind die Bedienungen: Kaum hat ein Gast einen der gut 20 Bistrotische aus Holz gewählt, kommt eine Kellnerin und legt die Karte auf den Tisch. Als sie den Ostfriesentee serviert, fragt die Bedienung, ob sie noch ein Kännchen frischer Milch bringen darf. Und wer sich für ein Kuchenstück plus eine Tasse Kaffee für 3,50 Euro entscheidet, wird von ihr zur Vitrine geführt, in der Mandarinenkuchen, Stachelbeer- oder Mandeltorte ausgestellt sind. Für den größeren Hunger bietet das Café Pergamon neben einer Standardkarte noch wechselnde Tagesgerichte wie Tafelspitz mit Meerrettich und Ragout in Blätterteigpastete, die jeweils um die acht Euro kosten.

Bodenständige Berliner Küche bietet die Cafeteria im Untergeschoss des Musikinstrumentenmuseums im Kulturforum am Potsdamer Platz: Eine große Bulette mit Kartoffeln und Erbsen an brauner Soße gibt es dort für rund sechs Euro. Dem Wachmann scheint es geschmeckt zu haben. „Das war gut“, sagt er, als er der Thekenkraft sein benutztes Geschirr zurückbringt. Am Wochenende umfasst das Angebot nur ein Tagesgericht, unter der Woche sind es bis zu fünf verschiedene. Allerdings darf man wochentags nicht zu spät kommen: „Um halb zwölf fangen wir mit der Essensausgabe an, um zwölf ist meistens schon alles ausverkauft“, erzählt die Frau hinter der Theke. Leser der Staatsbibliothek kommen häufig zum Essen ins Musikinstrumentenmuseum, ebenso die Angestellten der Firmen im nahen Sony Center. „Die finden, dass das Essen bei uns besser ist“, sagt die Bedienung nicht ohne Stolz. Und beginnt oberhalb des Cafés gerade eine Führung, gibt es gratis Tischmusik zum Essen, wenn der Museumsführer mit der Drehorgel „Untern Linden“ intoniert.

Härtere Töne erklingen im Café Mania des Ramones-Museums in Mitte. „Somebody put something in my drink“ – Jemand hat mir was in meinen Drink geschüttet, singt Joey Ramone, der Frontmann der amerikanischen Ur-Punkband, als eben der Milchkaffee serviert wird. Im Gegenteil zum Drink aus dem Song ist der allerdings frei von jeglichen Zusatzstoffen: Die Inhaberin des kleinen Cafés, durch das der Besucher das Museum betritt, kredenzt ausschließlich Biomilch und Biokaffee. Und auch die Zutaten der Muffins und Cookies stammen aus kontrolliertem Anbau.

Martin Gropp

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