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© David Heerde

Musik: Projekt "Egopoint": Wie Mars und Jupiter

Für das Projekt „Egopoint“ hat ein Berghain-DJ mit der Solotänzerin des Staatsballetts kooperiert.

Das Gespräch kommt zur Unzeit für Luke Slater. Wieder einmal ist der 41-Jährige erst frühmorgens zu Bett gegangen. Und um 12 Uhr muss er schon wieder für Interviews bereitstehen. Und dabei war er vergangene Nacht nicht mal in irgendeinem Club. Wer sich in den letzten 20 Jahren weltweit einen Namen als Produzent elektronischer Musik und Techno- DJ gemacht hat, dessen Leben spielt sich nun mal auch dann nachts ab, wenn er gar nicht auflegt.

Trotzdem macht er jetzt gute Miene zum bösen Spiel. Vielleicht liegt es an der heiteren Gelassenheit, mit der Fritz Bornemann einst das Foyer des Hauses der Berliner Festspiele in Wilmersdorf ausgestattet hat. In den Sesseln lümmelnd kann der Geist gut abhängen und seine Mitte finden. Da lässt es sich gleich noch mal so schön über das neue Ballett-Projekt „Egopoint“ reden, das hier am Wochenende während der „spielzeit europa“ gezeigt wird. Es geht darum, ob und wie man angesichts der gesellschaftlichen Dynamik und ständigen Beschleunigung die Balance im Leben, die goldene Mitte erreichen und erhalten kann. Nun hat Luke Slater eigentlich mit Ballett nichts am Hut, außer Prokofjews „Tanz der Ritter“ aus „Romeo und Julia“ kennt er nicht viel. Aber er hat die Musik für „Egopoint“ produziert. Choreografiert und inszeniert wird der 50-minütige Abend von Nadja Saidakova, der Ersten Solotänzerin des Staatsballetts Berlin.

Eine Choreografin aus Russland und ein DJ aus England – da treffen Welten aufeinander, künstlerische wie geografische. „Es ist wie Mars und Jupiter“, sagt Luke Slater, ohne näher zu erklären, wer der große und wer der kleine Planet ist. Und doch ist die Produktion nicht ohne Vorläufer: Schon zweimal war Nadja Saidakova im Rahmen des Projekts „Shut up and dance!“ mit kürzeren Choreografien im Berghain, auch privat geht sie gerne dort hin. „Anfangs war das für mich eine kleine Sensation: Auch so kann man tanzen. Aber wenn man sich einmal der Musik hingibt und sie ohne Widerstand durch seinen Körper fließen lässt, macht es wahnsinnig Spaß“, erzählt sie. Damals entstand auch der Kontakt zu Luke Slater, der regelmäßig als Resident-DJ im Berghain auflegt.

„Egopoint“ ist für Saidakova die bisher größte und längste Herausforderung als Choreografin. Drei Tänzerinnen und sechs Tänzer sollen die klassische Haltung hinter sich lassen, um einen neuen und – wie sie sagt – „grenzenlosen“ Ausdruck zu finden. Eine erzählbare Geschichte wird es nicht geben, vielmehr werden unterschiedliche Bilder (Bühne: Lena Lukjanova) die Momente menschlicher Selbstfindung begleiten.

„Funky“ sei seine dazugehörige Musik, sagt Slater, „euphorisch, schockierend, dynamisch. Alles außer langweilig.“ Teilweise benutzt er überarbeitete Tracks, die er schon 1994 unter dem Pseudonym „The 7th Plain“ veröffentlicht hat. Bis zu neun verschiedene Namen hat Slater im Laufe seiner Karriere angenommen – womit er selbst auf schöne Weise illustriert, wie schwierig es ist, seine eigene Mitte zu finden. Inzwischen benutzt er nur noch vier von ihnen. Klingt so, als sei er auf einem guten Weg zu sich selbst.

Noch am selben Abend fliegt er zurück nach London. Berlin sei immer noch unglaublich wichtig für die elektronische Musik. „Es ist eine der letzten freien Städte in Europa. Ich hoffe, dass das so bleibt. Aber ich habe schon viele einst kreative Städte gesehen, die immer kontrollierter wurden.“ Spricht’s und zieht sich zurück. Vermutlich, um erst mal ein paar Stunden zu schlafen. Udo Badelt

„Egopoint“, 28.+29. November, 21 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, www.berlinerfestspiele.de

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