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Doener

© Heerde

Nachtleben: Tanz um den Spieß

Lust auf Fleisch: Das Kreuzberger Restaurant "Bagdad" lädt am Freitag zur Sexy-Döner-Party. Der Laden ist 24 Stunden geöffnet und hat sich längst als Startpunkt einer langen Partynacht in den Kreuzberger Clubs etabliert.

Erotik für Kreuzberger Feinschmecker sieht so aus: Am Rand der Tanzfläche steht ein burschikoses Mädchen in Feinrippunterhemd und Jogginghose und beißt in einen Döner, dass die Knoblauchsoße links aus dem Mund herunterläuft. Von rechts reibt sich im Takt der strammen elektronischen Beats ein Typ mit Sonnenbrille und Goldkette an ihr. Durchaus eine gelungene Interpretation des heutigen „Prolls und Tussis“-Mottos bei der „Sexy-Döner“-Party im Kreuzberger Dönerrestaurant „Bagdad“.

Derweil schlängelt sich Restaurantbesitzer Hakan Sever, den hier alle nur bei seinem Vornamen nennen, durch den Laden und rettet leere Flaschen vor der tanzende Meute, die die Boxen neben dem DJ-Pult erklommen hat. Die Kronleuchter, die sonst über dem Restaurantteil des Imbisses hängen, hat er abmontiert: „Beim letzten Mal haben sich die Leute Ohrringe daraus gemacht“, sagt er und verdreht die Augen. Noch ein Flirt mit einem weiblichen Gast und zurück hinter die Salattheke im Eingangsbereich. Der Straßenverkauf von Döner durch das Fenster zur Schlesischen Straße läuft weiter. Im Zehn-Minuten-Takt strömen Nachtschwärmer aus der U-Bahn am Schlesischen Tor, die in die Clubs entlang der Spree wollen: In die „Arena“, das „103“, das „Watergate“, den Konzertclub „Lido“ oder die Queerbar „Barbie Deinhoffs“. Wenn die Sexy-Döner-Partys jeweils am letzten Freitag im Monat stattfinden, bleiben viele Passanten vor dem „Bagdad“ hängen. Doch auch an normalen Wochenenden hat sich Hakan auf die Partyszene spezialisiert. Eine Anpassung, die die Entwicklung des Kiezes widerspiegelt: Vor zwanzig Jahren lag das Bagdad direkt vor dem Grenzübergang an der Oberbaumbrücke, richtete sich an Mauertouristen und Kreuzberger Familien.

Seit in den letzten fünf Jahren Universal, MTV, Zeitschriftenredaktionen und Werbeagenturen in die Industriegebäude an der Spree zogen, hat sich der Begriff „Mediaspree“ etabliert. Gemeinsam mit den neuen Clubs brachten diese Unternehmen eine jüngere Klientel in den Kiez rund ums Schlesische Tor. Hakan stellte sich um, hängte Veranstaltungsdaten an seine Tür, stellte zwei Kühlschränke mit Alkoholika auf und schrieb Sixpacks und „Taschenflaschen“ auf die Karte. Während er an Wochentagen mit zwei Angestellten auskommt, säbeln in den Nachtschichten am Wochenende fünf Männer das Fleisch von den Spießen. Das Bagdad ist 24 Stunden geöffnet und hat sich für viele Stammgäste als Startpunkt einer langen Partynacht in den Kreuzberger Clubs etabliert. Sogar ein Musikvideo für die Berliner Elektronik-Combo „zypz“ wurde dort gedreht.

„Hakan ist eben ein echter Sympath und macht den besten Döner der Stadt“, erläutert DJ und Partyveranstalter Mantu das Phänomen. Der Halbindonesier ist Artist-Manager bei Universal Music und „Bagdad“-Stammgast. Gemeinsam mit seinen Freunden „Fetzo“ und Markus, mit denen er die Veranstaltungs-Agentur „Turboblitz“ betreibt, entwickelte er die Partyidee während einer Mittagspause im Bagdad. Kurze Zeit später durften sich die Gäste bei der ersten „Sexy-Döner“-Party selbst den Döner vom Spieß heruntersäbeln und am Ende des Abends wurde die „Miss Sexy Döner“ gewählt. Seitdem zieht die Veranstaltungsreihe mit Fleischduft und Raki-Longdrinks regelmäßig eine wilde Mischung aus Neuköllner Kreativen und türkischem Kreuzberger Jungvolk samt Onkels und Neffen an. Heute tanzen Unternehmensberater, Unfallchirurgen und Partygänger neben Mädchen mit grün bemalten Gesichtern und spanischen Erasmusstudenten. Bis um sechs Uhr morgens drängt sich das Publikum auf dem Bürgersteig vor den zwiebelförmigen Fenstern des Bungalowbaus. Drinnen ist kaum mehr Platz, mit rund achtzig Gästen ist das kleine Restaurant schnell überfüllt. Türsteherin Karla lässt sich deshalb anlässlich des Proll-Mottos nur noch mit den härtesten Prollsprüchen zum Einlass erweichen. Das klingt dann etwa so: „Du erinnerst mich an meine tote Mutter!“ – „Na, da bin ich aber ein wenig zu jung für.“ – „Vom Geruch her!“ So viel Kreuzberger Schnauze muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Am besten mit Knoblauchsoße, Zwiebeln und jeder Menge „schön scharf“. Lu Yen Roloff

Die nächste Sexy-Döner-Party findet heute statt. Das Motto wird „Asiadöner“ sein. Vorbestellung für die VIP-Tische mit Oriental Glamour (Flasche Raki plus Softdrinks für 35 Euro) unter 0163/6378018. Restaurant Bagdad, Schlesische Straße 2, Kreuzberg.

Lu Yen Roloff

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