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Neuköllner Oper: Liebesleid und Ehestreit

Ein Singspiel mit Klischees: Die Neuköllner Oper will mit „Türkisch für Liebhaber“ mehr Deutschtürken ins Haus holen.

Die Neuköllner Oper ist immer für ein Abenteuer gut. Gesellschaftspolitik in Musicalform, spaßiger Neukölln-Trash, Musiktheater-Experimente und originelle Ausgrabungen aus dem Opern-Repertoire sind hier Standard. Mit dem Singspiel „Türkisch für Liebhaber“, das Donnerstag Premiere hat, schielen die umtriebigen Neuköllner jetzt auf ein Publikum, das sich bisher eher selten in die Oper verirrt hat: die Deutschtürken. Und damit die in Massen ins Haus strömen, hat Dramaturg Bernhard Glocksin die Komponistin Sinem Altan und die Autorin Dilek Güngör engagiert.

Der Witz an dem „neuen Mozart-Singspiel“ ist die historische Vorlage: eine sogenannte Türkenoper von 1791 mit dem hübschen Titel „Der wohltätige Derwisch“. Die in orientalischen Klischees schwelgende Türkenoper war vor 200 Jahren der reinste Kassenschlager. Und der Text der überkandidelten Posse um weise osmanische Herrscher und Feuer speiende Drachen stammte von Emanuel Schikaneder, der auch Mozarts „Zauberflöte“ textete. Die Originalmusik, die sich zum Teil in „Türkisch für Liebhaber“ wiederfindet, könnte sogar von Mozart stammen, munkeln die Neuköllner Opernausgräber. Jedenfalls klingt sie nach ihm.

Komponistin Sinem Altan, 28, liebt diesen Stil: „Ich kann mit der frischen Haltung und Ironie der Originalpartitur viel anfangen.“ Einen „falschen Mozart“ nennt sie ihre komponierten Passagen, die mit traditioneller türkischer Musik verwoben sind. Librettistin Dilek Güngör, 36, die sonst als Kolumnistin und Drehbuchautorin den deutsch-türkischen Alltag bearbeitet, ging’s da anders: „Ich hab’ aus der Vorlage nur das streitende Ehepaar und den wohltätigen türkischen Onkel übernommen.“ Um dann ein modernes tragikomisches Drama um den jungen Architekten Ercan daraus zu machen, der für ein Praktikum aus Ankara nach Berlin kommt und es hier mit Deutschen- und Türkenklischees, Liebesleid und kuppelwütigen Onkeln und Tanten zu tun bekommt.

Die Neuköllner Oper suche immer nach Geschichten, die das Zusammenleben der Menschen im Kiez spiegeln, sagt Bernhard Glocksin, 49. „Da haben wir uns gedacht, wir geben die Türkenoper denen zurück, von denen sie handelt.“ Herausgekommen ist ein moderner Kommentar, ein Spiel mit heutigen Klischees. Onkel und Tante halten den schicken Ercan für einen Türken, der erst mal Zivilisation lernen muss. Ercan wiederum wundert sich, warum die beiden Wahlberliner schlecht Deutsch sprechen und dauernd vor der Glotze hängen. Dargeboten wird der familiäre Wirrwarr von einem multinationalen Ensemble. Klassisch ausgebildete deutschtürkische Sänger sind nämlich schwer aufzutreiben.

Sinem Altan ist überzeugt, dass „Türkisch für Liebhaber“ Deutschtürken in die Oper zieht. Allein weil die türkischen Musiker, die mitspielen, jede Menge Leuten kennen und der Türkische Bund auch die Werbetrommel rührt. Dilek Güngör ist da skeptischer: „Keine Ahnung, ob das Experiment aufgeht“, lacht sie, und mit Integration habe ihr Stück eh weniger zu tun als mit Identität. Die sieht bei beiden so aus: Die in Schwäbisch-Gmünd geborene Güngör ist Deutsche, „aber mit türkischen Eltern“ und die in Ankara geborene Altan „eine Berliner Komponistin“.

Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131, Uraufführung Donnerstag um 20 Uhr, Termine und Karten unter Tel. 68 89 07 77

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