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Nick Cave

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Nick Cave: Der Nachtpächter

Auftritt der Woche: Nick Cave ist 50 und immer noch wütend. Am Mittwoch und Donnerstag spielt er mit seiner Band im Tempodrom.

Die Bibel hat Nick Cave schon immer fasziniert. Etwa die Geschichte über den Toten Lazarus, den Jesus auferstehen lässt. Im Johannesevangelium kann man nachlesen, wie Christus zum Grab nach Judäa kam, sein Wunder wirkte und weiterzog. Aber eines steht da nicht: Wie fand Lazarus das eigentlich? War er begeistert?

35 Jahre hat sich Nick Cave, Australiens düsterster Rockexport, diese Frage gestellt. Jetzt hat er ein Lied darüber geschrieben und sich ausgemalt, was Lazarus mit seinem zweiten Leben wohl anstellte. Diesen Mittwoch wird er den Song im Tempodrom singen, und beim Zusatztermin am Donnerstag ein zweites Mal. Hier geht es nicht um Blasphemie, sagt Cave, sondern um die Freiheit der Gedanken. So hat er es schon immer gehalten – wobei seine Gedanken meistens weit schräger, anstößiger und morbider waren als die seiner Musikerkollegen. Cave besingt mit Vorliebe das Abgründige im Menschen, bringt den Zuhörern lieber das Dunkel der Nacht näher als den Tag. In den Neunzigern schrieb er ein ganzes Album über Mordfantasien, im Duett „Where the wild roses grow“ fiel Kylie Minogue dabei die Rolle der Wasserleiche zu. In Interviews überrascht er mit Sätzen wie „Gefühle sind wie tote Ratten“, und auf seinem letzten Album fand er eine alternative Erklärung dafür, wie die griechische Mythenfigur Orpheus einst ums Leben kam: Der Mann sang so mies, dass die Tiere ringsum verendeten und Zeus sich gezwungen sah, Orpheus persönlich in die Unterwelt zu dreschen. Logisch.

Vergangenen Herbst ist Cave 50 geworden. Normalerweise werden Sänger mit dem Alter ruhiger und versöhnlicher, sagt er selbst, nur bei ihm klappe das irgendwie nicht. Ihn regt immer noch alles auf, was um ihn herum passiert oder in den Nachrichten läuft. Dafür erhöht sich sein Schaffensdrang: Innerhalb eines Jahres hat er gleich drei Alben veröffentlicht, darunter den Soundtrack zum Kinofilm „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“. Dazu arbeitete er an mehreren Filmprojekten. Wie er das alles schafft? „Disziplin“, sagt er. „Und ein geordnetes Umfeld.“ Cave lebt mit Frau und zwei Kindern im englischen Brighton, steht jeden Morgen spätestens um 7 Uhr auf und setzt sich an den Schreibtisch. „Ich komponiere im Sitzen. Würde ich herumlaufen und auf Inspiration hoffen, könnte ich lange warten.“

Berlin ist dem Sänger gut bekannt. Sieben Jahre hat er hier gelebt. 1983 zog der Australier nach Berlin und gründete seine Band Bad Seeds, unter anderem mit Blixa Bargeld an der Gitarre, dem Frontmann der Einstürzenden Neubauten. Viel Heroin hat er in dieser Zeit genommen, Alkohol sowieso. Das Einmalige an Berlin war, dass man hier so gut die Nächte durchmachen konnte, erinnert er sich, besonders in Kneipen rund um die Potsdamer Straße. Im Ex’n’Pop war er oft, dort lernte er auch Wim Wenders kennen, in dessen „Der Himmel über Berlin“ er später auftrat. Blixa Bargeld ist inzwischen aus Caves Band ausgestiegen, um sich auf die Neubauten zu konzentrieren. Die treten diese Woche ebenfalls in Berlin auf, am Sonnabend in der Columbiahalle. Nick Cave wird keine Zeit haben, sich die Show anzugucken. Da ist er schon in Tschechien und stellt sein neues Lazarus-Lied in Prag vor. Wer es hört, bekommt allerdings das Gefühl, dass es den Sänger nicht wirklich interessiert, wie der Wiedererweckte sich gefühlt haben mag. Sonst würde er im Refrain wohl nicht diesen Cave-typischen Rat geben: „Grab Dich wieder ein.“

Karten im Internet: www.berlin-ticket.de

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