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Paintball

© David Heerde

Paintball: Schuss mit lustig

Räuber und Gendarm für Erwachsene oder Kriegsspiel für Militaristen? Paintball ist umstritten. Das hindert weder Familien noch Firmenteams daran, sich in einer neuen Halle die Farbkugel zu geben.

Ducken, laufen, Deckung suchen und dabei gleichzeitig feuern was das Zeug hält. Über den Kunstrasen in der alten Fabrikhalle rennen zehn junge Männer in weißen Overalls mit dunklen Schutzmasken vor dem Gesicht. Sie springen über aufblasbare Hindernisse, rufen sich Kommandos zu und krabbeln auf allen vieren hinter die bunten Schutzwände. Über ihre Köpfe zischen hunderte von kleinen Farbkugeln hinweg. Jedes Mal, wenn eine Kugel den Lauf eines Farbgewehrs verlässt, hallt ein lautes „Plopp“ durch den Raum. Wer von einer der neon-grünen Glibberkugeln aus Gelatine getroffen wird, muss runter vom Spielfeld. Nach fünf Minuten ist das Match gelaufen. Gewinner- und Verliererteam geben sich lachend die Hand. Dann geht wieder alles von vorn los. Das Ganze erinnert ein wenig an Räuber und Gendarm, was man als Kind in Nachbars Garten gespielt hat. Eine Mischung aus Actionfilm und Kindergeburtstag.

Am Rand des Spielfelds, geschützt von einem großen Netz, steht Franziska Lüddemann. Die blonde 29-Jährige ist die Geschäftsführerin der 1600 Quadratmeter großen Halle in Niederschönhausen. Vor wenigen Monaten hat sie die „Paintgalaxy“ eröffnet. Für 15 Euro darf man hier eine Dreiviertelstunde lang Farbkugeln durch die Gegend schießen. Wer keine eigene Farbkugel-Pistole hat, kann für ein paar Euro mehr die nötige Ausrüstung dazumieten. „Es war nicht einfach ein Gebäude zu bekommen“, sagt Lüddemann. Die meisten Vermieter würde das Firmenkonzept von vorneherein abschrecken. Lüddemann kann das nicht verstehen. „Ich finde zum Beispiel Boxen viel brutaler“, sagt sie. „Da schauen Millionen Leute zu, wie sich zwei Menschen im Ring blutig schlagen und niemand findet das anstößig.“

Paintball nennt sich das in den 80er-Jahren in den USA entstandene Spiel. Manche nennen es auch Gotcha – der amerikanische Slangausdruck für „I got you“. Das hört Frau Lüddemann aber nicht so gern. Mit dieser Version von Paintball, bei der man im Militär-Outfit durch Wald und Wiesen robbt, will man hier in Deutschland lieber nicht in Verbindung gebracht werden. Mehrere tausend Paintball-Fans soll es in Deutschland geben. Wie viele es genau sind, weiß niemand. Fest steht aber, dass es ein teures Hobby ist. Allein für die nötige Grundausrüstung muss man rund 1000 Euro investieren. Ein Paintball-Druckluftgewehr kostet je nach Ausführung zwischen 200 und 1700 Euro. „Das ist wie Golfen“, sagt Franziska Lüddemann, während es hinter dem Netz wieder Farbbälle hagelt. „Vom Zahnarzt, über Studenten bis zum Supermarkt-Besitzer kommen ganz verschiedene Leute zu uns.“

Tatsächlich steht gerade auf dem Spielfeld eine Pankower Kleinfamilie: Vater, Mutter, Sohn und Tochter mit Maske und Farbgewehr im Anschlag. Das Paintball-Spiel war ein Geschenk zum 18. Geburtstag für den Jüngsten. Vor kurzem habe eine ganze Firmenbelegschaft die Halle für einen Tag gemietet, sagt die Besitzerin. Das Paintball-Spielen fördere den Teamgeist, hieß es von der Chefetage.

Bis vor kurzem gab es in Berlin gar keine Paintball-Hallen. Grund dafür war unter anderem, dass die meisten Politiker Paintball als Synonym für getarnte Wehrsportübungen von Rechtsextremisten und durchgeknallten Militaria-Freaks sehen. Das paramilitärische Image von Paintball nervt Franziska Lüddemann, die selbst begeisterte Paintball-Spielerin ist. Der Hinweis „keine Tarn- und Armeekleidung, keine Waffennachbauten“ steht nicht ohne Grund auf der Webseite der Ballerhalle. Neonazis oder Militärfans lässt die Chefin nicht hinein.

Seit Jahren bemüht sich die Deutsche Paintball-Liga um ein Image als normaler Sportverband. Alle Begriffe, die nach Militär klingen, werden tunlichst vermieden. Die Paintball-Pistolen heißen „Markierer“ und rote Bälle, die nach dem Aufprall an Mord, Blut und Krieg erinnern könnten, sind nicht erwünscht. Dazu gehört auch, dass der Verband sich von Gotcha-Spielern, die auch gerne mal Weltkriegsschlachten nachstellen, klar distanziert. Genützt hat es bisher allerdings nicht. Der Deutsche Olympische Sportbund denkt gar nicht daran, Paintball als Sport zu akzeptieren. „Es entspricht nicht unserem Bild vom Sport aufeinander zu schießen“, lautet die lapidare Begründung.

Während in den meisten europäischen Ländern Paintball als richtiger Sport gilt und gesetzlich kaum beschränkt ist, gibt es in Deutschland strenge Regeln. Unter 18 Jahren darf gar nicht mit Farbkugeln geschossen werden. Wer im offenen Wald beim Kriegspielen erwischt wird, muss mit einer Anzeige wegen unbefugten Führens von Schusswaffen ohne Waffenschein rechnen. Die in den USA beliebten Gotcha-Handgranaten und Tellerminen, aus denen dutzende Farbkugeln schießen, sind in Deutschland gleich ganz verboten.

„Was hier zählt, ist Taktik und Schnelligkeit“, sagt Rick und zeigt auf das mit Farbflecken übersäte Spielfeld. Knapp 200 000 Paintballs werden hier jeden Monat verschossen. Er ist der Lebenspartner von Franziska Lüddemann und übernimmt bei den Spielen die Rolle des Schiedsrichters. Wenn jemand getroffen wurde, hebt er die Hand. Dann kommt Rick und überprüft, ob derjenige an der Stelle einen Farbfleck hat. Ist die Kugel nicht am Körper zerplatzt, hat man Glück und darf weiterspielen.

Wenn Rick im Vorraum der Halle DVDs von US-Turnieren mit mehreren hundert Teilnehmern und Fernseh-Live- Übertragung zeigt, kommt er ins Schwärmen. Dort sei allen klar, dass Paintball ein Sport wie jeder andere ist, während man in Deutschland laufend mit Vorurteilen konfrontiert werde. In anderen Ländern könnten die Jugendlichen mit 14 oder 15 Jahren anfangen Paintball zu spielen, um später ein richtiger Profi zu werden. „Als Deutscher hat man in der internationalen Profi-Liga doch kaum Chancen, weil man überhaupt erst mit 18 Jahren beginnen kann zu trainieren.“

Mehr im Internet unter

www.paintgalaxy.de

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