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Pergamonmuseum: Babylon-Ausstellung zieht eine Viertellmillion Besucher

Der derzeit wohl unheimlichste Raum im Berliner Pergamonmuseum ist weiß ausgekleidet. Buchstaben-Tafeln aus Augenarztpraxen und Optikerläden schmücken die Wände, Stimmen surren durch die Luft.

Der derzeit wohl unheimlichste Raum im Berliner Pergamonmuseum ist weiß ausgekleidet. Buchstaben-Tafeln aus Augenarztpraxen und Optikerläden schmücken die Wände, Stimmen surren durch die Luft. So könnte es geklungen haben, als die Menschen beim Turmbau zu Babel einander nicht mehr verstanden und das Chaos ausbrach. Am Donnerstag wird sich der 250.000. Besucher von der weltbekannten Doppelschau "Babylon Mythos und Wahrheit" darüber aufklären lassen.

"Auch zur Halbzeit reißen die Besucherströme nicht ab", sagt eine Sprecherin. Noch bis 3. Oktober werden in den Sälen und Ausstellungsräumen des Pergamonmuseums - thematisch getrennt - Mythen und Fakten zu Babylon behandelt. Seit der Eröffnung am 26. Juni mussten wegen des Andrangs die Öffnungszeiten erweitert werden. Die Schau ist jetzt Sonntag bis Mittwoch von 9 bis 18 Uhr und donnerstags bis samstags von 9 bis 22 Uhr zu besichtigen.

Dem Besucher wird ein dreifacher Empfang zuteil: Zuerst ist da ein quietschbunter Pavillon. Er vereint vor dem ehrwürdigen Museum Eingang, Kasse, Garderobe und Souvenirladen. Wer mag, kann sich mit ironisch variiertem Kitsch zum Thema Sünde eindecken. Es gibt Babel-Bier und Babel-Kaffee. Der Babel-Sekt Marke "Metropole" ist ebenso zu haben wie Babel-Taschen und, für den süßen Sündenfall, Lollis. Weil "auch Sünder einmal klein anfangen", wie ein Schild vermerkt, sind ebenso Lätzchen oder aufblasbare Babel-Schwimmflügel im Angebot.

Zweite Station des Empfangs ist ein fast leerer Saal. In ihm thront der rekonstruierte Pergamonaltar am Ende einer steilen Treppe. Neben einer unscheinbaren Öffnung in der Wand weist ein Schild zur Station "Wahrheit". Hinter einem weiteren Durchgang findet sich der Besucher plötzlich unter dem Ischtar-Tor wieder. Schlagartig umgibt ihn die Pracht des antiken Babylon.

In einem schier endlosen Gang und elf weiteren Räumen wurden 800 Schätze zusammengetragen: Tontäfelchen mit babylonischem Schriftverkehr, landwirtschaftliche Werkzeuge, Kleidung, Totenbeigaben und natürlich Daten zum Turm von Babel. Denn den gab es wirklich. Dafür und für andere sehenswerte Überraschungen sind nicht nur die Fachleute mehrerer Berliner Museen tief in ihre Depots gestiegen. Auch die Kollegen der Musée de Louvre, der Réunion des musées nationaux, Paris, und des British Museum in London steuerten Exponate bei - laut dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Peter-Klaus Schuster, ein bislang in dieser Dimension einmaliger Vorgang.

Den dritten Empfang bereitet ein rosafarbenes Schild links vom Pergamonaltar. Dort ist die Pforte zum "Babel-Mythos". Keine andere antike Metropole hat ein derartiges Negativimage: "Sünden-Babel", "Sprachverwirrung", "dekadente Königin Semiramis samt Hängender Gärten" und "grausamer König Nebukadnezar". In erotischer Stimmung werden sämtliche Vorurteile aufgegriffen und anhand künstlerischer und gesellschaftlicher Betrachtungen der Zivilisations-Epochen reflektiert.

Ganz am Ende - der Besucher wähnt sich bereits am Ausgang - heißt es "Babel jetzt". Auf Bildschirmen erzählen 14 Bewohner des neuen Babel von ihren Plänen. Babel ist heute eine irakische Provinz südlich von Bagdad. Gesündigt wurde in Babel noch lange: Saddam Hussein ließ sich auf den Ruinen von Babel einen Palast errichten. Und amerikanische und polnische Soldaten verschanzten sich nach dem Einmarsch 2003 in den Ausgrabungsstätten. Es gibt allerdings auch Hoffnung für das echte Babel. Die neue irakische Regierung erklärte die Region zum "Hauptsitz der irakischen Kultur 2008". (ho/ddp)

Torsten Hilscher[ddp]

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