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Politkrimi: Bombenstimmung

Mit dem Politkrimi „Zwillingsspiel“ führt Markus Stromiedel durch ein apokalyptisches Berlin

Es mag der heimliche Albtraum vieler sein, die mit der U- oder S-Bahn in Berlin unterwegs sind: Wenn niemand es ahnt, explodiert eine Bombe. Savignyplatz, „der Westwind trug das Geräusch der nahenden S-Bahn herüber“. Sieben Menschen warten auf dem Bahnsteig. „Keiner von ihnen ahnte, was sie alle in diesem Moment verband: die Gewissheit, in elf, zehn, neun Sekunden zu sterben.“ Mit dieser Situation zerrt Markus Stromiedel die Leser von „Zwillingsspiel“ gleich hinein in seine Berliner Gegenwartsgeschichte.

Die Stadt ist die Kulisse eines Politkrimis, in den der Autor alles eingebaut hat, was spannungsreiches Erzählen möglich macht. Bärtige Terroristen, die islamistische Gefahr, skrupellose Politiker, die mit Terrorängsten Wahlkampf machen, außerdem noch das gläsern glitzernde Hauptstadt-Berlin, das Kreuzberger Multikulti-Berlin und schließlich Alt-Berliner Villengegenden im Südwesten. Von dort kommen die beiden Hauptpersonen des Romans – sie Beraterin im Politikbetrieb, er Polizist, von der introvertierten Sorte.

Mit der Bombenexplosion zündet in einem Politikerkopf ein zynischer Plan. Der beruht auf der simplen These, dass Politiker Krisen sogar für einen Wahlsieg nutzen können, wenn sie kompetent und entscheidungsstark wirken. Gewiss hat Gerhard Schröder im Wahlkampfsommer 2001 das Hochwasser der Elbe nicht selbst gemacht, aber wie er da so durch die Fernsehbilder marschierte, in Gummistiefeln und Regenjacke – das sah sehr nach gekonntem Krisenmanagement aus. Das ist das Prinzip. Da braucht es nur gerade so viel Fantasie, wie jeder Politikberater minimal haben muss – um auf den Gedanken zu kommen, dass es hilfreich sein kann, die Angst der Leute noch zu schüren.

Stromiedels bombenerschüttertes Berlin der Gegenwart kann jedem, der Sinn für apokalyptische Entwicklungen hat, durchaus Angst machen. Das, worüber Stromiedel schreibt, ist nicht weit weg. Jeder Innenpolitiker sagt auf Anfrage, dass islamistische Anschläge nicht auszuschließen sind – und auch nicht das, was Stromiedel mit Sinn für politdynamische Eskalation der Lage beschreibt: Angriffe auf die, die der Volkszorn verantwortlich macht – Leute mit schwarzen Bärten, die Tee trinken und Arabisch sprechen.

Spannend ist die Geschichte, auch auf eine finstere Weise realistisch: So könnte es kommen, denkt man bei jeder neuen scharfen Kurve, die die Geschichte nimmt. Zusammengehalten wird sie von einem Spannungverhältnis zwischen dem Polizisten und der Politikberaterin, das mit beider Kindheitserinnerungen zu tun hat. Das klingt jetzt aber sehr nach Küchenpsychologie? Genau, so liest es sich auch. Was zur Folge hat, dass einem die Hauptpersonen nie so richtig nahekommen. Man liest das Buch und denkt, man gucke Fernsehen. Das Duo wirkt, als habe Stromiedel beim Schreiben schon die Schauspieler im Sinn gehabt, die irgendwann mal im Film zum Buch zu sehen sein sollen.

Immerhin: Die Verfilmung von „Zwillingsspiel“, die gewiss bald kommen wird, muss man sich nicht mehr ansehen. Dieser Roman funktioniert im Kopf der Leser wie ein Film. Werner van Bebber

— Markus Stromiedel: Zwillingsspiel. Knaur TaschenbuchVerlag, München. 428 Seiten, 7,95 Euro

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