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Ernsthaft. Rainald Grebe guckt oft, als gebe es nichts zu lachen. Das überlässt er seinen Fans. Das sind all jene, die mit Mario Barth nichts anfangen können. Foto: Imago

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Rainald Grebe: Häuptling ohne Land

Alles neu und ein paar Nummern größer: Musiker Rainald Grebe erklärt uns die Republik. Ab jetzt mit einem ganzen Orchester. Am Dienstag ist Premiere im Berliner Admiralspalast.

Die Kiefergelenke knacken. Rainald Grebe hat den Mund weit aufgerissen, um zu testen, ob das noch geht. „Mir kommt es gerade vor, als würde er mir gleich abfallen“, sagt er und sinkt erschöpft in den Sessel: „So krass wie heute war das noch nie – das waren mindestens 13 Interviews hintereinander.“ Rainald Grebe ist eben zurzeit sehr gefragt. Jeder will mit dem Mann reden, der den Deutschen mit ein paar Tönen und Sätzen erklärt, wie ihr Land eigentlich tickt. Seine Lieder heißen „Brandenburg“, „Thüringen“, „Guido Knopp“. Und auch „Prenzlauer Berg“ hat er im Repertoire: „Schwarz-grün wird die Republik, hier ist sie es schon.“

Das Lied singt er nicht mehr allein am Klavier wie früher, auch nicht mit seiner zweiköpfigen „Kapelle der Versöhnung“. Nein, inzwischen hat er sich ein ganzes „Orchester der Versöhnung“ zugelegt. Am Dienstag tritt es zum ersten Mal offiziell auf – im Admiralspalast. Vergangene Woche gab es bereits einen kleinen Vorgeschmack: Über Facebook wurde eine öffentliche Probe im Lovelite in Friedrichshain angekündigt – und hunderte von Fans stürmten den Club. Sogar die Polizei rückte an, um Ordnung in das Chaos auf der Straße zu bringen. Denn viele mussten draußen bleiben. Kein Wunder, dass der Andrang so groß war – mehr als 10 000 Facebook-Nutzer haben auf der Grebe-Seite angeklickt, dass ihnen seine Lieder gefallen.

Die Auftritte des Komikers gelten als Gegenentwurf zum Mario-Barth-Hype. Wer den nicht leiden kann, mag normalerweise Grebes Humor. Mit todernstem Gesicht und weit aufgerissenen Augen steht er meistens auf der Bühne, singt Sätze, die auch irgendwie todernst klingen. Und trägt dabei normalerweise eine äußerst lächerliche Kopfbedeckung: Plüschmützen in Form eines Huhns oder seinen geliebten Indianerhäuptling-Federschmuck. Auch auf den Plakaten für das Orchester-Konzert hat er den auf, zwei Nummern größer als sonst.

Man ist fast etwas irritiert, ihn beim Interview barhäuptig im Sessel sitzen zu sehen: „Immer wenn ich den Federschmuck aufhabe, kommt Haltung in die Runde“, sagt Grebe. „Er verstärkt die Wirkung, egal was man gerade von sich gibt.“ Ist er denn ein Häuptlingstyp? „Ein Häuptling ohne Land vielleicht.“

Land braucht er ja auch nicht, stattdessen ist Grebe seit sechs Wochen Oberhaupt von zehn Orchestermusikern. Martin Brauer und Marcus Baumgart aus seiner Kapelle sind wieder mit dabei. Außerdem der Jazzmusiker Buddy Casino, der durch Auftritte mit Helge Schneider bekannt wurde. Dazu ein DJ, der sonst auf Hochzeiten auflegt, und Geiger, die normalerweise auf Beerdigungen spielen. „Die Bandvorstellung beim Konzert dauert etwa eine Stunde“, kündigt Grebe – wieder mal mit todernstem Gesicht – an. „Das wird jetzt alles so groß“, sagt er. Und klingt fast etwas besorgt.

Sechs Wochen lang haben sie alle zusammen geprobt. Grebe ist vom Klavier auf die Blockflöte umgestiegen. Auch ein Alphorn aus Plastikabflussrohren wurde ausprobiert. Das kann man in Videoclips sehen, mit denen die Proben auf Youtube dokumentiert werden – bei Grebe werden die Fans mit einbezogen. Und wie führt der Häuptling sein Orchester? „Demokratisch“, versichert er. „Zumindest bei den Arrangements, davon habe ich doch keine Ahnung.“ Grebe ist für die Texte zuständig.

Das Prenzlauer-Berg-Lied hat er geschrieben, als er auf Wohnungssuche war – er hat dort keine gefunden. Die Mieten waren zu hoch. Jetzt lebt er in Pankow. „Neu, neu, neu“, solle ein anderes Stück heißen, sagt er. Na, das erinnert ja schon ein bisschen an Peter Fox und „Alles neu“. Auch die Sache mit den Streichern, oder? Grebe guckt etwas bestürzt, sagt „Ach Gott!“, und man glaubt ihm, dass die Inspiration nicht daher kam. Fox’ Lieder kenne er gar nicht so richtig.

Aber eigentlich ist sein neuestes Thema „Bananenrepubliken“. Meint er damit Deutschland? Naja, auch ein bisschen. Und dann erzählt er von seiner Reise nach Sansibar, wo es monatelang nur Stromversorgung durch Generatoren gab, weil der Bruder des Präsidenten den Treibstoff dafür verkaufte. „Und dann geisterten da Westerwelle und Dirk Niebel auf Tournee herum. Das geht alles so in den Quark.“ Die beiden Bundesminister haben Grebe also auch inspiriert – so von Häuptling zu Häuptling.

26.10.–7.11. im Admiralspalast, Friedrichstraße 101, Karten für 19,25 bis 38 Euro unter Tel. 4799 7499

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