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Sanierung: Gedächtniskirche Scheibchenweise

Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde mit Lasern gescannt Die Technik soll bei der Sanierung des historischen Gebäudes helfen.

Sie sind auf die Dächer der umliegenden Gebäude gestiegen, haben ihre Messgeräte auf dem Breitscheidplatz aufgestellt, auf der Straße, nah, fern, überall. Nun ist er komplett abgescannt, der Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche; sogar im Inneren und rund um die schweren Glocken herum. Von knapp 200 verschiedenen Positionen tasteten hochmoderne Laser das alte Bauwerk ab – an mehr als sechs Millionen Punkten insgesamt. Das Ergebnis: Jede Menge Daten und damit eine komplett „durchleuchtete“ Kirche, die auf dem Bildschirm eines Computers nun virtuell geteilt, gedreht und in Scheibchen geschnitten werden kann.

Dies alles soll helfen bei der anstehenden Sanierung des Turms, wofür die Stiftung der Gedächtniskirche bereits seit zwei Jahren Spenden sammelt. Die 4,2 Millionen Euro, die die Sanierung kosten wird, seien nun fast komplett zusammen, sagt Pfarrer Martin Germer. Nur rund 50 000 Euro fehlten noch. Saniert wird trotzdem erst ab kommendem Frühsommer. Die hochmodernen Messungen, durchgeführt von den Vermessungs- und Ingenieurbüros Trigonart und Gilan, all dies sind lediglich Vorbereitungen.

„Wir wollen das Denkmal wirklich richtig gut kennenlernen, bevor wir rangehen“, sagt der verantwortliche Architekt Gerhard Schlotter vom Büro für Architektur, Städtebau und Denkmalpflege (BASD). Das vorsichtige Abtasten der Kirche ist die sogenannte „Bauwerkserfassung“. Die soll per Laser nicht nur schneller sein – ein Jahr, sagt Schlotter, hätte die gleiche Arbeit für acht Menschen auf einem Gerüst gedauert – sondern auch billiger. 75 000 Euro habe das Abscannen gekostet, sagt Pfarrer Germer, der angesichts der neuen Technik schon davon träumt, den Besuchern künftig virtuelle Rundflüge durch den Glockentum anbieten zu können.

Hinter den futuristischen Bildern steckt allerdings harte Arbeit, eine „sehr anspruchsvolle“, wie Ingenieur Andreas Tscherch bei einer Präsentation der Arbeiten am Freitag bescheinigt. Ein überaus schwieriges Unterfangen, weil das Bauwerk komplex sei, hoch, eine Ruine und vielfach geschädigt. Und außerdem nie allein! Scannen, das konnten sie in den Monaten August und September eigentlich in Ruhe nur am Vormittag, bevor die Touristen auf den Breitscheidplatz schwärmten und die Scanner zwar hunderte Beine und Rucksäcke in der Schusslinie hatten, aber keine Fugen und Steine mehr.

Doch die schließlich gesammelten Daten erweisen sich als unschätzbar wertvoll für Restaurateure und Architekten. Nicht nur, weil diese nun Ansichten von schwer zugänglichen Teilen des Gebäudes haben, sondern auch, weil diese Ansichten so detailgenau sind, wie sie nur irgend sein können. Tscherch demonstriert am PC: Über das Foto eines Mauerstücks schiebt er eine sogenannte Punktwolke. Ein Bild, das für den Laien zwar ebenfalls aussieht wie ein Foto, aber keines ist. Anstatt nur zweidimensional abzubilden, zeigt die Punktwolke den Wissenschaftlern drei Dimensionen; sie bescheinigt also nicht nur, dass sich an einer bestimmten Stelle ein Loch in der Fassade befindet, sondern sagt auch gleich noch, wie tief der Schaden ist.

Noch bis Ende 2009 soll die Auswertung der Daten dauern, dann tritt das Projekt Sanierung in die zweite Phase, im Architektenjargon „Bauwerksanalytik“ genannt. Dazu wird der Turm Anfang 2010 eingerüstet. Spezialisten werden sich vom Gerüst aus die per Laser ermittelten Schäden in der Bausubstanz ganz genau ansehen, bevor im Sommer die eigentliche Arbeit beginnt – und der Turm Ende 2012, so hofft Pfarrer Germer, komplett restauriert sein kann. Katja Reimann

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