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Stadtleben: Schöner spuken

Nach zwei Jahren Renovierungspause wird das Jagdschloss Grunewald wieder für Besucher geöffnet

Den Untergang des Hauses Usher stellte sich Edgar Allan Poe so vor: Am Anfang zieht sich nur ein feiner Riss im Zickzack durchs Gemäuer des alten Wasserschlosses, dann, nach einer Geschichte voller Grusel, verbreitert sich der kaum sichtbare Bauschaden jäh zur klaffenden Spalte. Das marode Gemäuer zerbirst und versinkt mit Getöse im trüben See.

Nun war das Jagdschloss Grunewald nie vom Einsturz bedroht, aber allerhand Spukgestalten hat es auch dort gegeben. Zudem liegt es an einem See, war sogar einst von einem Wassergraben umgeben. Das hatte Folgen für die Standfestigkeit. Über die Jahrhunderte geriet das Bauwerk ein wenig aus der Fasson – unregelmäßige Setzungen, Verwindungen, kleine Risse, nichts wirklich Bedrohliches, aber geschehen musste etwas, und so hat man das Schloss nun eben gefesselt. Eine Fuge wurde in einigen Metern Höhe rundum eingefräst, Stahlseile wurden drumherumgelegt und verspannt. Damit ist die Fragilität behoben, die nächsten Jahrhunderte können kommen.

Wenn demnächst ins frisch sanierte Jagdschloss am Grunewaldsee zum Tag der offenen Tür gebeten wird, sehen die Besucher von dem chirurgischen Eingriff nichts mehr: Die Fuge wurde verputzt, die Fassade gestrichen. Die 2,7 Millionen Euro, halb aus Stiftungs-, halb aus EU-Töpfen, flossen zumeist in Details, etwa eine neue Heizungsanlage. Fünf Ölbrenner und fünf Tanks waren auf dem Areal verteilt, jetzt gibt es jeweils nur noch einen. Das Erdgeschoss, wo sonst durch ein Loch in der Wand warme Luft in die Räume gepustet wurde, was „Adam und Eva“ und den anderen Cranach-Werken gar nicht guttat, hat nun eine Fußbodenheizung. Im Obergeschoss wurden neue, dezente Heizkörper angebracht. Die Fenster hat man überarbeitet, mit neuem Isolierglas ausgestattet, die bemalten Holzdecken behutsam gereinigt und restauriert. Die Arbeiten waren aber nicht nur nützlich fürs Gebäude und seine Nutzung als Museum, die Bauhistoriker haben auch einiges über den Bau gelernt, sagt Steffen Domalski, Planbereichsleiter Berlin bei der Baudenkmalpflege der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Die früher geschlossene Seeterrasse kann nun ebenfalls wieder genutzt werden. Größere Umbauten hat es in der rechts vom Schloss gegebenen Remise und der angeschlossenen ehemaligen Küche gegeben. Letztere ist jetzt ein kleiner Veranstaltungsraum, Kasse und Shop wanderten samt neuem Café in die Remise.

Zwei Jahre lang war das Schloss wegen der Arbeiten geschlossen, nur das angeschlossene Jagdzeugmagazin kann schon seit längerem wieder besichtigt werden, zudem gab es dann und wann Veranstaltungen im Schlosshof. Auch an diesem Wochenende ist eine geplant, das „Berliner Holzspektakel“, ausgerichtet von den Berliner Forsten und der Holzwirtschaft. Am 27. und 28. September kann das Schloss dann endlich auch wieder von innen besichtigt werden, jedoch noch ohne Gemälde, die restauriert werden und teilweise 2009/10 in einer großen Cranach-Schau im Schloss Charlottenburg gezeigt werden. Eine erste Ausstellung mit ihnen ist im nächsten Jahr geplant.

So ist der betagte Bau also für neue Zuschauerströme gerüstet, soll sie durch die Auffrischung sogar stärker anlocken als bisher. Rund 300 000 Besucher wollten das 1542 / 43 entstandene, später erweiterte und umgebaute Jagdschloss sehen. Schon dessen Bauherr, Brandenburgs Kurfürst Joachim II. Hektor, nutzte es nicht nur für den ursprünglichen Zweck, bei Jagdausflügen forstnah ein standesgemäßes Quartier zu bieten. Er brachte dort auch seine Mätresse Anna Sydow, genannt die „schöne Gießerin“, unter. Sie fiel nach Joachims Tod beim Sohn in Ungnade, ihr Geist, so raunte man sich früher zu, soll regelmäßig durchs Schloss gespukt sein.

Solche schaurige Mär kam den Produzenten der Edgar-Wallace-Verfilmung „Die blaue Hand“ sicher entgegen, 1967 mit Klaus Kinski in einer Doppelrolle gedreht. Außerdem entstanden dort Außenaufnahmen für die TV-Serien „Schloss Einstein“ und „Verliebt in Berlin“. Und vielleicht trifft der Geist der „schönen Gießerin“ bei ihren Nachtwanderungen durchs Schloss sogar auf den von Rudolf Heß. Nicht den echten, sondern den aus dem Thriller „Die Wildgänse 2“, 1984 in Berlin und teilweise im Jagdschloss gedreht. Es war eine Fortsetzung des erfolgreichen Söldnerdramas „Die Wildgänse kommen“ mit Richard Burton in der Hauptrolle, der vor den Dreharbeiten zum zweiten Teil starb. So wurde „Die Wildgänse 2“ nur ein billiger Aufguss, immerhin mit Laurence Olivier in seiner letzten Kinorolle. Er spielte den Hitler-Stellvertreter, den Söldner im Auftrag eines einschaltquotensüchtigen Radiosenders aus seiner Spandauer Zelle befreien sollen, was er aber ablehnt. Als Haftanstalt diente eine alte Fabrik, so ist also dem Jagdschloss des alten Kurfürsten zum Glück erspart geblieben, als Kriegsverbrechergefängnis herhalten zu müssen.

„Berliner Holzspektakel“, heute und morgen 11 bis 18 Uhr (www.berliner-holz.de); Tage der offenen Tür 27./28. September, 11 bis 18 Uhr (www.spsg.de).

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