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Serie: Tanzen lernen (6): Gesucht und gefunden

Sven und Anastasia fanden sich übers Internet. Sie sind neun. Ihr Ziel: Tanz-Weltmeister werden. Harald und Veronika trainieren dreimal die Woche. Beide sind allein. Der Sport holt sie ins Leben zurück.

Svens Lächeln sitzt perfekt. Bei jeder Drehung. Die Löckchen am Ende von Anastasias Pferdeschwanzes wippen, während sie die Hüften schwingt. Ihr Rücken bleibt dabei kerzengerade. Die Absätze ihrer Sandalen berühren den Boden nicht. Anastasia tanzt leichtfüßig auf Zehenspitzen. Sven führt sie mit fester Hand. Musik gibt es gerade nicht, aber die beiden zählen den Takt mit. Sie beherrschen den Jive auch ohne Rhythmus und Töne perfekt. „Die Trainerin sagt, man muss immer lächeln“, erklärt Sven, als der Tanz vorbei ist. Er kennt sich aus, er tanzt schon seit sechs Jahren. Sven Rosanski und Anastasia Konor sind erst neun, das jüngste Turniertanzpaar, das an der Spandauer Tanzschule Broadway trainiert. Standard und Latein – zusammen mit den erwachsenen Turniertänzern.

Anastasia hat erst vor einem Jahr angefangen zu tanzen, ihr Lächeln sieht noch nicht ganz so professionell aus wie Svens. „Wir haben schon zwei Turniere zusammen getanzt“, das muss Sven gleich mal loswerden. „Wollen Sie wissen, welche Plätze wir gemacht haben?“, fragt er aufgeregt. „Beim ersten Mal war’s der letzte Platz und beim zweiten schon der siebte. Aber das war ein wichtiges Turnier mit viel Konkurrenz.“ Er will mal Weltmeister werden im Tanzen. Sie auch, „aber auch Polizistin“.

Warum begeistern die beiden sich so sehr fürs Standardtanzen? Sven hat gerade gesagt, dass „alle anderen Jungs in der Klasse nur Fußball im Kopf haben“. Er muss nicht lange nachdenken: „Es ist toll, dass man das nicht allein macht, sondern zu zweit, und es ist schön, wenn die Leute einem dabei zugucken.“ Das findet auch Anastasia. Vor allem aber „gibt Tanzen Sinn: Dann muss man nach der Schule nicht auf der Couch herumsitzen.“ Das wäre für Anastasia so ungefähr das Schlimmste. Sven ist ganz ihrer Meinung: „Dabei wird man fett.“ Und Anastasia mag die hübschen Kleider beim Tanzen. Sie hat ein rückenfreies rosa-weißes an, mit schwingenden Volants. Wie für eine Barbiepuppe. Nein, außer den zwei, drei Stunden Tanztraining pro Woche unternehmen die beiden nichts zusammen. Über eine Internetseite haben sie sich gefunden. „Ich hatte schon mehrere Partnerinnen und brauchte ’ne neue, weil die alte zu groß wurde“, sagt Sven.

Auch Harald und Veronika haben sich erst über Umwege gefunden. Beim Tanzen strahlen sie glücklich, aber gar nicht professionell. Harald Woitke ist 71 und damit einer der ältesten Tänzer in der Tanzschule Broadway, Veronika Mehikic ist 60. „Wir haben uns neu gefunden, vor ein paar Monaten“, sagt Veronika. Beide sind seit kurzem verwitwet. „Ich habe etwas gesucht, um wieder zurück ins Leben zu finden“, sagt sie. „Und jetzt passiert das mit jedem Tanzschritt.“ Sie habe schon immer tanzen wollen, aber ihr Mann sei dafür nie zu haben gewesen. „Meine Freunde haben mir gesagt, dass ich viel ausgeglichener und sogar schöner geworden bin, seit ich tanze.“ Drei- bis viermal pro Woche trainieren die beiden zusammen, die Turnierreife haben sie noch nicht. Bald wollen sie sich auch außerhalb der Tanzschule treffen, etwa um ins Theater zu gehen.

Beide hatten zuvor schon andere Tanzpartner ausprobiert. „Meine waren aber immer nur ausgeliehen“, sagt Veronika lachend. „Und bei mir hat es mit der ersten Tanzpartnerin nicht geklappt“, sagt Harald. „Die Dame war zu unzuverlässig und wir haben uns öfter in die Haare gekriegt.“ „Hat sie dir welche ausgerupft?“, neckt Veronika ihn. „Na, ein paar sind ja noch da“, antwortet er.

Streit kann man sich bei Harald und Veronika kaum vorstellen. Schon allein, weil beide voller Begeisterung fürs Tanzen stecken: „Ich liebe die Musik, die Körperbeherrschung und die Harmonie“, sagt die kaufmännische Angestellte. „Tanzen ist gut im Alter. Für Gleichgewicht, Kopf und Kondition – der ganze Körper wird gestärkt“, sagt Harald, der früher in der Datenverarbeitung gearbeitet hat. Der Lieblingstanz von Harald und Veronika ist der langsame Walzer: „Der ist so harmonisch und hat viele Figuren.“

Auch Anastasia und Sven haben einen gemeinsamen Lieblingstanz. Auf die Frage hin flüstern sie kurz und antworten dann im Chor: „Samba.“ Sven muss das erklären: „Das ist so ein

Urlaubstanz. Dabei denke ich immer an Palmen.“ Und Anastasia nickt: „Ich auch.“

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