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Auf Rosa eingestellt: Sharon Brauner singt in der Bar jeder Vernunft.

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Sharon Brauner: Sie will lachen

Sharon Brauner mischt jiddische Lieder mit eigenen Songs. Bis Ende Juli ist sie in der Bar jeder Vernunft zu hören.

Sharon Brauner und Band? Hm, müsste eigentlich Sharon Brauner und Hund heißen. Entrüstet kläffend springt das schwarze Viech einem die Beine hoch, sobald man in Halensee die Gartenpforte passiert, hinter der sie im Grün einer Gartenremise wohnt. Sogar auf das Cover ihrer letzten CD „Glücklich unperfekt“ hat Kläffer Lucky es geschafft. Schön ist er nicht, muss also Liebe sein. Sharon Brauner nickt. Und was für eine.

Zierlich ist sie und unbekümmert. So gerade raus wie vom Hund erzählt sie von ihrer Familie, ihrer Musik und ihrem Karriereanfang in der Bar jeder Vernunft. 1993 war das. Ab Dienstag tritt die Sängerin, die seit ihrem dritten Lebensjahr in vielen Fernseh- und Kinofilmen mitgespielt hat, dort mit dem neuen Programm „Bei mir bist Du schön!“ auf. „Fast einen ganzen Monat lang“, stellt sie ein bisschen erschrocken fest. Wird schon, Lutz Deisinger, der neue und alte künstlerische Leiter von Bar und Tipi, hat schließlich von Anfang an an sie geglaubt. Auch damals an dem Abend, als er sie zufällig „Summertime“ singen hörte und vom Fleck weg engagierte. Er sagt, das war im „Florian“ in der Grolmannstraße, sie habe auf der Theke getanzt. Sie sagt, es war in der Bar, als sie betrunken ein Geburtstagsständchen sang. Egal, „im ,Florian‘ habe ich in meinen wilden Zwanzigern öfter mal für ein Bier gesungen“, sagt Brauner, nun 41 und viel braver.

Gewagte Sachen macht sie immer noch. Beim „Perfekten Promi-Dinner“ auf Vox mitkochen zum Beispiel. Da war sie neulich in einer stark unter Trashverdacht stehenden Berliner Runde mit Playboy Rolf Eden, Kitschdesigner Harald Glööckler und Moderatorin Yvette Dankou zu sehen. Hilfe, das ist doch nur was für abgehalfterte C-Promis!? Und wenn schon. Brauner lacht. Sie sei absolut keine Karrierestrategin, sagt sie. „Ich will lachen!“ Und außerdem: „Die zahlen sehr gut.“ Bis auf Glööckler seien die Mitkocher alles Freunde von ihr gewesen. „Mit Yvette Dankou war ich als gebürtige Wilmersdorferin in der Schule, und Rolf Eden ist fast mein Patenonkel, seitdem er mit meinem Vater das ,Big Eden‘ betrieben hat.“

Verstehe, alter West-Berliner Adel. Wolf Brauner ist ihr Vater – Produzent und Herstellungsleiter bei CCC Film, der Firma ihres Onkels Artur „Atze“ Brauner. Der hat mit ihr vor Jahren schon mal zusammen in der Bar jeder Vernunft alte jüdische Lieder gesungen. Diesmal kommt er – „wenn er’s schafft“ – zum Zuhören, so wie Tante Maria und Kusine Alice.

Vater Brauner stammt aus Polen, Mutter Brauners Familie lebt seit sieben Generationen in Berlin. Letztere kam so schnell es ging aus dem Exil wieder her. War für sie gar keine Frage, sagt Sharon Brauner. Kind einer Familie von Holocaust-Überlebenden zu sein, hat sie geprägt. „Ich klebe total an meinen Eltern und Geschwistern.“ Abnabeln, nö, wozu? „Wenn meine Mutter mich nicht rausgeworfen hätte, würde ich immer noch bei ihr wohnen“.

Und das Judentum? Das sei ihre familiäre Wurzel, sagt Brauner, auch wenn bei ihnen keiner wirklich gläubig sei. „Religionen sind doch Grimms Märchen“, findet sie. An eine höhere Instanz glaubt sie allerdings schon: „Die alles sieht und bewertet, wie im Film ,Truman Show’.“ Also versuche sie, keine Ameisen zu zertrampeln und überhaupt Gutes zu tun. „Leben und Leben lassen, das ist meine Religion.“

Im neuen Programm verbinden sich selbst geschriebene, biografisch angehauchte Songs mit jiddischen Liedern. Die liebt sie nicht nur, weil das die Muttersprache ihres Vater ist, sondern „eine jahrhundertealte Sprache – ohne Land und ohne Regeln“. Tatsächlich hat ihre Musik überhaupt nichts mit Klezmer-Bands zu tun, obwohl in der Bar jeder Vernunft auch mal ein Klarinettist zur vierköpfigen Band hinzustößt. Angefangen hat Brauner, die am Lee Strasberg Institute in New York Schauspiel studiert hat, mit Jazzstandards. Und diesen Swing hört man ihrer schmelzenden, mit viel Atem arbeitenden Stimme auch bei Latino-Rhythmen und Chansons an. Lustig: Auf der neuen CD, die gerade in Arbeit ist, steckt sie Traditionslieder ins Easy-Listening-Gewand, also Café del Mar auf Jiddisch.

Als Teil der viel beschworenen Renaissance des jüdischen Kulturlebens in Berlin sieht Sharon Brauner, die selbst einen Dokumentarfilm über das verzerrte Judenbild in unseren Köpfen gedreht hat, sich nicht. Ist ihr zu langweilig, sich nur in eigenen Kreisen zu bewegen. „Mir ist scheißegal, was die anderen machen“, sagt sie. Sie müsse sich um die CD kümmern, die Familie, ihren katholischen Freund und um – na, klar – Lucky.
Bar jeder Vernunft, 28. Juni bis 24. Juli, Di–Sa 20 Uhr, So 19 Uhr, ab 19 Euro

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