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Show im Wintergarten: Johannes-Sebastian Strauss: Hauptsache energetisch

Als bekennender Rockabilly beschwört Johannes-Sebastian Strauss im Wintergarten die fünfziger Jahre. Die Liebe zu alter Musik mag an seinem berühmten Vorfahren liegen: dem Vater des Walzerkönigs.

Das Amerika der fünfziger Jahre liegt mitten in einem Spandauer Gewerbegebiet. Das „Cruise-In“ am Päwesiner Weg wirkt wie ein altes amerikanisches Diner. Hinter der Rundumverglasung warten rote Kunstlederbänke, von der Decke hängen Gitarren, an den Wänden US-Autokennzeichen und -Straßenschilder.

„Willst’n Kaffee, Hannes“, fragt der Wirt den großen Mann mit der Ballonschirmmütze und der Fliegerlederjacke, deren Kragen er hochgeklappt hat. „Hannes“ heißt eigentlich Johannes-Sebastian Strauss und reicht als Antwort seine schwarze Visitenkarte über den Tresen: „Hast du so was schon mal gesehen? Aus echtem Vinyl.“ Strauss streicht sich über die zurückgekämmten Haare: „Als pubertärer Strolch hatte ich eine richtige Tolle.“ Und dann erzählt der 1967 geborene Berliner, wie er Ende der Siebziger dem Sound der Fünfziger verfiel. „Ich habe damals die Band The Rock’n’Roll Giants auf einem Straßenkonzert gehört und war begeistert. Wie energetisch diese Musik ist!“ Das ist sein Lieblingswort und Lebensmotto. Seit über 30 Jahren macht er „energetische Musik“. In der Musikschule Wilmersdorf fing er mit elf an, Gitarre zu spielen, zurzeit hat er drei Bands. Mit einer tritt er gerade im Wintergarten auf: Die „Mint Tones“ wurden eigens für die Show „Peppermint Club“ gegründet.

Die fünfziger Jahre sind in Berlin alles andere als tot: Im Cruise-In treten mehrmals im Monat Rock’n’Roll- und Rockabilly-Bands auf: Danny and the Wonderbras etwa oder Strauss' zweite Band Hannes and the Blue Vinyl Freaks, mit der er auch eigene Rockabilly-Songs singt. Rund 180 solcher Lieder hat er komponiert. Im Kreuzberger Club Soul Cat und auch im „Silverwings“, in einem Nebengebäude des Tempelhofer Flughafens, ist Strauss schon oft mit den Vinyl Freaks aufgetreten. Dennoch meint er, es gebe keinen richtigen Trend zur Fünfziger-Jahre-Musik: „Im Soulcat wissen die doch noch nicht mal, wie man Rockabilly schreibt, die tanzen nur zu allem, was tanzbar ist.” Auch im Silverwings treffe man keine echten Fans: „Die machen da nur Fünfziger-Jahre-Karneval. Die echte Szene ist sehr klein.”

Aus den Lautsprechern im Cruise-In kommt Rockabilly-Musik: „Rock'n’Roll ist die gefälligere Light-Version von Rockabilly“, erklärt Strauss. Er spielt beides. Der Klassiker „Blue Suede Shoes“ sei eine Art Mischung aus beidem. In Anlehnung an das Lied hat er die Blue Vinyl Freaks benannt. Schließlich hat er den Song schon gemeinsam mit dessen Urheber gespielt: „Anfang der Neunziger waren wir hier in Berlin die Pick-up-Band für Carl Perkins, als der im Hard Rock Café aufgetreten ist.“ Nicht sein einziger Auftritt mit einer Rock’n’Roll-Legende: Mit Chuck Berry habe er in der Zitadelle gespielt, erzählt er. Und mit Wanda Jackson, die in den Fünfzigern mit Elvis auftrat, ging er vor einigen Jahren auf Tournee.

Bei der Show im Wintergarten spielt er vor allem „Rock’n’Roll-Standard-Nummern“, auch wenn er von denen manche ein bisschen „weichgespült“ findet. „Aber wir geben uns Mühe, sie nicht zu gefällig, sondern richtig energetisch und etwas überzogen zu präsentieren“, sagt er.

Früher war Strauss mal ein richtiger Elvis-Fan, hatte sogar eine Platte in Memphis aufgenommen – in dem Studio, in dem schon der King am Mikrofon stand. Inzwischen ist Jerry Lee Lewis sein Idol. „Der hatte auch keine Tolle“, sagt er grinsend. Und noch einen Grund gibt es, warum er selbst keine mehr trägt: Mit seiner dritten Band, den Ballroom Kings, spielt er inzwischen viel Swing, etwa in Clärchens Ballhaus in Mitte. Eine Tolle passt wenig zum Sound der Vierziger. Strauss hat eben ein Faible für mehrere längst vergangene Epochen. Vielleicht liegt das auch an seinem musikalischen Vorfahren: Johann Strauss, Komponist und Vater des Walzerkönigs. Eigentlich redet Strauss junior darüber gar nicht gern: Das bringe meist nur Schwierigkeiten. Vor allem, weil er kein legitimer Spross des Strauss-Clans ist, sondern der Nachkomme aus einem Liebesverhältnis.

Es gibt noch eine weitere Verbindung mit der Vergangenheit: Strauss, 1,93 Meter groß, ist Mitglied der Potsdamer Riesengarde, die in alten Uniformen längst vergangene, preußische Zeiten bei Paraden heraufbeschwört. Und so ganz nebenbei hat er auch noch eine Agentur, wo er neben rund 20 unbekannteren Künstlern auch Rolf Zacher vermittelt. Noch so eine Berühmtheit in seinem Leben. Über eigenen möglichen Ruhm macht er sich aber keine Illusionen: „Ich bin 45, für mich ist der Zug abgefahren“, sagt er. „Und Gage gibt’s meist nur, wenn ich nicht meinen eigenen Kram, sondern ,Rock around the clock’ spiele.“

Der „Peppermint Club“ ist noch bis zum 16. Juli im Wintergarten zu sehen.

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