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Solarantrieb: Ein Schiff für heitere Tage

In Köpenick geht das erste große Ausflugsschiff mit Solarantrieb auf Tour. Zwar regnet es zur Taufe - der Taufpate ist dafür aber prominent.

Petrus provoziert. Exakt in dem Moment, als der erste Redner ans Pult tritt, um das Solarschiff zu preisen, beginnt es in die Sektgläser zu tröpfeln. Ein Wind zieht um die Ecken des Industriegeländes in Oberschöneweide, das seit Rückzug des Fernseherproduzenten Samsung vor dreieinhalb Jahren im Wachkoma liegt: 800 Jobs weg, 30 Millionen Euro zuvor gezahltes Fördergeld gleich mit. Dass die Wiederbelebung zumindest partiell möglich ist, zeigt dieser Termin am Mittwochvormittag, zu dem gleich auch Klaus Wowereit erwartet wird. In eine der alten Hallen am Köpenicker Spreeufer ist die Bootsmanufaktur des Reeders Nils Clausen eingezogen, die den Innenausbau dieses in Berlin einmaligen Schiffs übernommen hat.

Jetzt hängt der „Aquabus“ am Steg und sieht zumindest von der Seite recht normal aus: weiß mit großen Fenstern, überhängendem Dach voller Solarpaneele und weit herumgezogener Frontscheibe. Spektakulärer ist der Blick von vorn, der das Leichtbaugeschöpf als Katamaran ausweist, zwischen dessen Kufen eine Nase im Stil einer Bergbahngondel sitzt – ziemlich rund, ein bisschen Retro. Drinnen ist das Schiff eine Designerlounge mit hellen Sitzecken, Bar und einer Decke, die so verschiedenfarbig glimmen kann wie die Kuppel des Sony-Centers. Platz ist für 60 Passagiere, wobei das Schiff nach Auskunft seiner Konstrukteure kaum mehr Strom verbraucht als ein Toaster. Selbst wenn es zehn Mal so viel wäre: Es käme nicht darauf an, denn das Schiff fährt ausschließlich mit Sonnenstrom. Bei Sonnenschein also unbegrenzt, und bei Wetter wie diesem immerhin zehn Stunden am Stück. Wobei es, als alle ihre Jacken übergezogen haben, schon wieder auflockert.

Am Rednerpult sagt Konstrukteur Thomas Meyer vom Köpenicker Solarbootspezialisten Solar Water World AG, dass das Schiff ganz ohne Fördergeld gebaut worden sei. Nach ihm spricht Thomas Krupke, Chef des Solarzellenherstellers Solon, der gerade in Adlershof eine ansehnliche Produktionsstätte mit kombiniertem Terrassen-Gras-SolarzellenDach plus Sonnenstromtankstelle für Motorräder vor dem Eingang errichtet hat. Solon steuert nicht nur die Solarzellen bei, sondern auch den Namen, den der Katamaran gleich erhalten soll. Leider fährt er nicht im Linienbetrieb als Ausflugsdampfer durch Berlin, sondern wird vermietet. Und leider ist Klaus Wowereit noch nicht eingetroffen, als der Mann von der Charterfirma Schiffskontor über die „oft lähmende Gegenwehr“ der Verwaltung klagt, wenn es beispielsweise um allgemein zugängliche Anlegestellen an den Berliner Gewässern geht.

Der Regierende kommt Minuten später um die Ecke, springt ans Mikro, lobt die europaweite Führungsposition Berlins im Bereich der Photovoltaik, sagt „Sohlonn“ statt „Solon“ und zieht einen Arbeitshandschuh über. Der schützt seine Hand, als er die Flasche auf dem Anker des Schiffs zerschlägt. Beim zweiten Mal klappt’s. Wowereit wischt sich Spritzer von den Schuhen, ringsum tuten die auf der Spree versammelten Dieselstinker zum Gruß. Zehn Minuten später ist die „Solon“ weg. Die Taufgäste an Land haben die Abfahrt kaum bemerkt: Nichts tuckert, nichts stinkt. Lautlos gleitet das Schiff der Zukunft entgegen. Die nächsten Tage sollen heiter werden. Stefan Jacobs

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