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SONNTAGS um zehn: Modernes Kraftwerk Gottes Gustav-Adolf-Kirche in Charlottenburg feiert Jubiläum und Architekt Bartning

Der Turm ragt über dem Charlottenburger Kiez auf wie der Hals eines Schwans über dem Wasser. Das aufgefächerte Kirchenschiff weit darunter wirkt wie das Gefieder.

Der Turm ragt über dem Charlottenburger Kiez auf wie der Hals eines Schwans über dem Wasser. Das aufgefächerte Kirchenschiff weit darunter wirkt wie das Gefieder. Kein Wunder, dass die Charlottenburger ihre Gustav-Adolf-Kirche in der Herschelstraße „Glucke“ nennen. 1934 wurde sie im sachlichen Stil der Bauhaus-Moderne errichtet und innen mit grün-blauen und braunen Kacheln verziert. Hinter dem Altar ragt eine riesige Wand aus blauem Glas empor, die am gestrigen Vormittag von der Sonne zum Leuchten gebracht wurde. Manche erinnert der Bau innen an ein Kraftwerk. Architekt war Otto Bartning, Wegbegleiter von Walter Gropius, späterer Chef-Planer des Hansaviertels in Tiergarten.

Die Nazis hatten Kirchenbauten verboten. Die Gemeinde in dem damals boomenden Viertel um die Ecke von Gericht, Gas- und Elektrizitätswerk setzte sich durch und ertrotzte eine Sondergenehmigung. Am gestrigen Sonntag feierte sie das 75. Kirchweihjubiläum. Die für diesen Sonntag im Kirchenjahr vorgegebene Bibelpassage handelte allerdings ganz unfestlich von Sorgen und Ängsten. „Ich kann euch nicht einfach sagen, macht euch keine Sorgen“, sagte Pfarrerin Catarina Freudenberg. Ängste gehören zum Leben dazu. Denn keiner weiß, was morgen kommt. „Das ist das Risiko am Menschsein“, so die Pfarrerin. Alles Planen, Eifern und noch so viel Leistung werde daran nichts ändern. Im Gegenteil: Je mehr man plane, je größer die Angst ist, dass das Leben nicht gelingt, umso eher sei man gelähmt und gebremst. Und weil er das wusste, habe Jesus an die Vögel erinnert, die sich nicht sorgen und doch satt werden. Das Unverfügbare, Offene könne auch sehr befreiend wirken, sagte Pfarrerin Freudenberg. So bleibe das Leben lebendig. Der letzte Ton der Orgel vermischte sich mit dem Knallen der Sektkorken. clk

In der Kirche erinnert eine Ausstellung an Otto Bartning; bis 27. September, Mo bis Fr 13 bis 17 Uhr, Sa 13 bis 18 Uhr

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