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Theaterintendant Ulrich Khuon.

© picture alliance / dpa

Sonntags um zehn: Von Geschichten lernen

Der Intendant des Deutschen Theaters, Ulrich Khuon, hat in der in St. Thomas-Kirche am Mariannenplatz eine Predigt zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter gehalten.

Plitsch, ein Flummi fliegt in die Pfütze. Der Schäferhund schnappt ihn und trägt ihn zurück zum Punk. Gelb leuchtet das Bethanien über den Mariannenplatz, rot ragen die beiden Türme der St. Thomas-Kirche auf. Eine alte Frau im Regenmantel schaut auf, als die Glocken läuten: tropfnasses Kreuzberger Sonntagsidyll.

Plitsch, plitsch, plitsch – in unreinem Rhythmus leckt es auf den Altarbaldachin. Nicht schlimm, beruhigt Pfarrer Christian Müller einen nachfragenden Besucher in dem 140 Jahre alten, immer irgendwo lecken, spätklassizistischen Riesenbau. „Den Schaden beheben wir auch noch irgendwann.“ Spricht’s und begrüßt den Gastprediger, der mit seiner Ehefrau in der ersten Stuhlreihe eingetroffen ist. Ulrich Khuon, Jahrgang 1951, ist seit 2009 Intendant des Deutschen Theaters. Im ersten Leben hat er allerdings auch mal katholische Theologie auf Lehramt studiert. Die evangelische Thomas-Kirche lädt gelegentlich Leute aus zum öffentlichen Leben wie Bernhard Schlink oder Antje Vollmer auf ihre Kanzel ein. Khuon nun hat als Predigtthema das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Lukas-Evangelium ausgewählt.

Die Geschichte vom Mann, der unter die Räuber fällt, und nicht von einem vorübergehenden Priester und einem Leviten, also Tempeldiener, sondern von einem andersgläubigen Ausländer – dem Samariter – versorgt wird, ist ein Klassiker unter den Gleichnissen des Neuen Testaments. Die Botschaft sei denkbar einfach und im Gegensatz zu weit verstörenderen Lehrbeispielen Jesu schon fast langweilig politisch-korrekt, sagt Ulrich Khuon. „Da hilft einer, von dem man es nicht erwartet.“

Ein bisschen mehr Erkenntnis steckt dann doch drin, wie der geübte Redner zeigt. Im Kunstgriff Jesu, Schriftgelehrten und Jüngern Gleichnisse zu erzählen, sieht der Theatermann Parallelen zum Theater: „Wir lernen nicht durch Befehle oder Theorien, sondern aus Erfahrung.“ Und die ließe einen nur Geschichten intensiv nachempfinden, wenn man sie nicht selber macht.

Mit den beiden Versagern des Gleichnisses, die eigentlich zur Nächstenliebe verpflichtete Männer Gottes sind, klappt das ganz gut. Bei Khuon werden sie menschlich – zwei in Zeitdruck und Ängsten verfangene Amtsträger, nicht böswillig, aber untätig. Der Samariter dagegen verzichtet aufs hemmende Risikoabwägen, ist fähig zur Improvisation und tut was: Er macht das Überfallopfer spontan zu seinem Nächsten. „Und ohne Nächstenliebe gibt es keinen Gottesdienst“, interpretiert Khuon die spezielle biblische Figurenkonstellation. Plitsch, plötzlich tropft es ja wieder. Hat man während der Predigt gar nicht bemerkt.

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