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Stadtleben: Sportfreund Schiller

AUFTRITT DER WOCHE Der Elektrostar spielt heute in der Zitadelle

Wer seine Musik jetzt immer noch nicht kennt, hat keinen Fernseher. Oder ist Sportmuffel. Denn jedes Mal, wenn das ZDF zum Abschluss seiner Olympiaberichterstattung die Bilder des Tages zeigte, lief im Hintergrund Schillers „Time for Dreams“. Das Lied hat er zusammen mit dem chinesischen Starpianisten Lang Lang aufgenommen. Aber in erster Linie ist es ein typischer Schiller-Song: entspannt, verträumt und sehr melodiös.

Heute Abend spielt der Wahlberliner, der eigentlich Christopher von Deylen heißt, seine Olympiahymne in der Zitadelle. Es ist für dieses Jahr das letzte Konzert in der Spandauer Freiluftbühne – und nach den Auftritten von Neil Young, Robin Gibb und Iggy Pop in den Vorwochen ein sehr würdiger Abschluss der Open-Air-Saison. Denn auch wenn es viele noch nicht bemerkt haben: Der 37-jährige Schiller ist inzwischen ein Superstar der deutschen Musikszene.

Sein Album „Sehnsucht“ stieg im Frühjahr direkt auf Platz eins der Charts ein, insgesamt hat er bereits sieben Millionen CDs verkauft. Und er hat bewiesen, dass sich sein langsamer, sphärischer Mix aus Pop und Elektronik nicht nur als Hintergrundmusik zum Autofahren, Kochen und Rotweintrinken eignet, sondern auch für Livekonzerte. Damit von Deylen nicht alleine auf die Bühne muss, hat er eine fünfköpfige Band zusammengestellt. Und die Lichteffekte sind so pompös, da fällt kaum auf, dass er selbst die meiste Zeit still hinterm Keyboard steht. Das Singen – sofern in seinen Songs überhaupt Gesang vorgesehen ist – überlässt er sowieso anderen: Auf den Alben wirken Größen wie Xavier Naidoo, Sarah Brightman und Mike Oldfield mit, auch Thomas D. von den Fantastischen Vier und der Schauspieler Ben Becker haben bereits mit ihm zusammengearbeitet. Manchmal tauchen die auch als Gäste bei seinen Livekonzerten auf, aber das wird vorher nicht verraten. Ein Grund, warum es trotz des großen Erfolgs keinen Starrummel um Christopher von Deylen gibt, ist dessen Zurückhaltung. Er klopft niemals Sprüche, seine goldenen Schallplatten hängt er nicht auf, und in Interviews verrät er, dass er noch immer vor Konzerten fürchtet, vor leeren Rängen auftreten zu müssen. Dabei kommen jedes Mal Tausende, und was bei dieser ruhigen Musik doch ziemlich erstaunt: Am Ende des Konzerts sind zumindest die vorderen Reihen verschwitzt.

Auch die Idee, sein Elektroprojekt nach einem berühmten Dichter zu benennen, hatte vor zehn Jahren nichts mit Größenwahn zu tun. Christopher von Deylen hatte einen Song mit Glockengeläut komponiert, da musste er automatisch an das berühmte Schiller-Gedicht denken. „Der Name war bloß als Witz gedacht“, sagt von Deylen heute, „ich ging ja sowieso davon aus, dass mein Projekt grandios floppen würde“. Tatsächlich verkaufte sich der Song „Glockenspiel“ so gut, dass er gar nicht anders konnte, als unter dem Namen Schiller weiterzumachen. Sebastian Leber

Das Konzert beginnt am heutigen Montag um 20.30 Uhr, eine Stunde vorher ist Einlass. Es gibt noch einige Karten ab 38 Euro an der Abendkasse.

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