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Daniel Barenboim.

© dpa

Staatsoper: Barenboim dirigiert den Umzug über die Spree

Musiker an Deck! Publikum ans Ufer! Mit vier Dampfern schippert die Staatsoper nach Charlottenburg.

Flüsse haben schon immer etwas Verbindendes gehabt. Jetzt nutzt die Staatsoper den glücklichen Umstand, dass die Spree sowohl in der Nähe ihres traditionellen Domizils vorbeifließt als auch an ihrem neuen Ausweichstandort in Charlottenburg. Am Sonntag wird sie ihren mehrmonatigen Umzug ins Schillertheater symbolisch abschließen – mit einem Schiffskonvoi vom Nikolaiviertel zum Anleger Gotzkowskybrücke. Das Motto der Veranstaltung, „Willkommen und Abschied“, zitiert eines der berühmtesten Gedichte von Goethe aus den „Sesenheimer Liedern“, in dem ein junger Heißsporn zu seinem Mädchen reitet, nur um sich nach leidenschaftlichem Küssen gleich wieder davonzumachen. Das könnte allerdings für einige Verwirrung sorgen, weil es die chronologische Reihenfolge der Ereignisse am Sonntag verdreht.

Den rund 500 Passagieren, die auf vier Fahrgastschiffen durch Berlin schippern, wird es egal sein. Karten gibt es nicht mehr, aber die Berliner können entlang das Flusses und auf den Brücken stehen und die Schiffe an sich vorbeiziehen lassen. „Auch an Land wird viel Musik zu hören sein“, verspricht Andrea Kaiser, Leiterin der Kommunikation bei der Staatsoper, die das Projekt geplant hat. Zum Gucken und Hören bietet sich zum Beispiel der Monbijoupark gegenüber der Museumsinsel an. Wie es sich gehört, werden Generalmusikdirektor Daniel Barenboim und der neue Intendant Jürgen Flimm am Bug des ersten Schiffes Platz nehmen, auf dem – wie auch auf Schiff 4 – eine Blechbläserformation der Staatskapelle Stücke von Purcell bis zu den Beatles interpretieren wird. Auf dem zweiten Schiff spielen die Holzbläser in großer klassischer Besetzung neue Jazzarrangements, die laut Staatsoper noch nie in Berlin zu hören waren. Auf dem dritten Schiff singt der Staatsopernchor unter Leitung von Eberhard Friedrich Chorsätze von Wagner, Verdi, Weber, Tschaikowsky und Bizet. Auch Solisten – Roman Trekel, Anna Prohaska, Anna Samuil – machen die Schiffspassage mit, sie werden allerdings unter freiem Himmel nicht singen, das heben sie sich für später auf.

Nach 45 Minuten kommen die Schiffe an der Gotzkowskybrücke an. Dort werden sie begrüßt von der Intendantin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, deren Haus künftig in direkter räumlicher Konkurrenz zur Staatsoper stehen wird. Shuttlebusse fahren die Passagiere den knappen Kilometer zum Schillertheater, das den ganzen restlichen Tag für alle Berliner, nicht nur für die Teilnehmer der Schiffspassage, offenstehen wird. Flimm und Barenboim wollen das mit einer Schleife verhüllte Haus offiziell eröffnen, eine kleine Allee aus Lindenbäumen soll vor dem Eingang gepflanzt werden: Symbolische Verweise allerorten. Drinnen, im Zuschauerraum, tut Barenboim dann wieder das, was er am besten kann: Er dirigiert die Staatskapelle zu Mozarts „Kleiner Nachtmusik“, Hanno Müller-Brachmann singt Schuberts Vertonung von „Willkommen und Abschied“ und andere Solisten Lieder von Hadyn, Wolf, Dvorak oder Rachmaninow, der Chor tritt auf mit – sehr passend – „Freudig begrüßen wir die edle Halle“ – aus Wagners „Tannhäuser“.

Später spielt das Trio Grand Cru im Foyer Tango, Jazz und Latin-Musik mit Geige, Cello und Klavier. Der Pianist und Entertainer Mark Scheibe präsentiert den Auftakt zu seiner Reihe „Wunderhorn“, in der er ab Oktober jeden letzten Donnerstag im Monat mit Musikern aus dem Ensemble Musik abseits des gewohnten Repertoires improvisieren will. Und auch die Werkstatt wird bespielt. Dabei handelt es sich nicht um einen Ort, an dem tatsächlich Kulissen hergestellt werden. Als „Werkstatt“ des Schiller-Theaters war der Raum vielmehr schon während der großen Zeit des Hauses eine wichtige Nebenspielstätte, Samuel Beckett ließ hier mehrere seiner späten Inszenierungen aufführen. Am Sonntag können die Besucher hier Einblicke in die Proben zu „Miss Donnithorne’s Maggot“ werfen. Künftig sollen in der Werkstatt zeitgenössische und experimentelle Stücke aufgeführt werden, die geplante Musiktheater-Akademie für Kinder von 9 bis 13 Jahren wird hier ihren Ort haben.

Ab Sonntag ist das neue Haus also eingeweiht. Am 3. Oktober folgt dann mit „Metanoia – Über das Denken hinaus“ die erste Premiere. Sie wurde trotz des Todes von Regisseur Christoph Schlingensief nicht abgesagt. Die folgenden drei Jahre bis zur Rückkehr an den Bebelplatz werden vermutlich schnell vergehen. Vielleicht ist das ja auch der tiefere Sinn des Mottos: Dass in jedem Willkommen schon wieder ein Abschied steckt.

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