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Installation "Global Stones": Stonehenge im Tiergarten

Steine aus fünf Kontinenten liegen nahe dem Brandenburger Tor. Der Künstler hat sie seit 1999 zusammengetragen – nun ist die Installation komplett.

Die spanische Touristin staunt nicht schlecht: „Das ist wirklich einmalig hier.“ Sie steht auf der Wiese im Tiergarten zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor, ihre Hand streichelt einen hochglanzpolierten roten Stein, der viel größer ist als sie. Wie ein am Rande des Mahnmals gestrandeter Walfisch glänzt der Sandstein-Monolith im Sonnenlicht. Er ist Teil eines Kunstwerks aus Stein, das jetzt, nach zwölfjähriger Bauzeit, fertiggestellt ist. Darüber ist auch Berlins Gartenbaudirektor Klaus von Krosigk erleichtert. Hinter dem Rücken vom weisen weißen Goethe auf seinem Sockel und dem riesigen „Holywood“-Schriftzug hat ein 77 Jahre alter Künstler und Abenteurer seinen Traum verwirklicht, in der Mitte Berlins ein Zeichen zu setzen – für Hoffnung, Liebe, Frieden und Vergebung.

Nach einer glücklichen Weltumsegelung mit seinem selbst gebauten Dreimaster „Pegasus“ hatte der Bildhauer Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld 1999 mit dem ersten Stein aus Amerika sein Global-Stone-Projekt begonnen. Sein Ziel formulierte er so: „Auf jedem Kontinent werde ich zwei durch Material, Form oder Herkunft besonders charakteristische Steine von rund 30 Tonnen suchen, bearbeiten und zu einem Gesamtprojekt verbinden. Einer der beiden ,Geschwister-Steine‘ verbleibt im Land seiner Herkunft, der zweite geht auf die Reise nach Berlin, in den Tiergarten.“

Da liegen sie nun, an fünf Stellen auf der Wiese, teilweise geformt, poliert und beschriftet. Der Text einer Tafel klärt den Besucher, der mit dieser steinernen Geste nicht viel anzufangen weiß, auf. Die Steine in den fünf Kontinenten liegen mit ihrer Spiegelfläche in einem Winkel zur Sonne, so dass sie am 21. Juni das Licht zurück zur Sonne reflektieren und es in einer Frequenz von 16 Minuten um die Erde zu ihren Schwestersteinen nach Berlin senden. Die Steine sind so ausgerichtet, dass zwischen ihnen fünf unsichtbare Linien aus Licht entstehen.

Wer nicht bis zum Tag der Sommersonnenwende warten möchte, der darf sich schon jetzt am Glitzern freuen. Er mag darüber nachsinnen, wie viel Kraft, Geld und Sponsorenüberredungskunst ein von seiner Mission besessener Mensch aufbringen muss, um in fünf Kontinenten riesige Steine auszuwählen, in einen Hafen zu transportieren und auf eine Wiese im Tiergarten zu schaffen. Manch einem mag das Projekt mit seinem hehren Anspruch vielleicht zu überladen sein, aber Steine entwickeln, wie man hier sieht, ihren besonderen Reiz und besondere Struktur schon durch den Schliff. Wolfgang von Schwarzenfeld sagt, es sei dem Betrachter überlassen, die Steine, zwischen denen eine merkwürdige Stille herrscht, „durch seine aktive Imagination zu verbinden und somit ein Symbol der geeinten Menschheit zu formen“.

Ein wuchtiger weißer Quarzit kommt aus Swerdlowsk im Ural und ist einem Treffen zwischen Wladimir Putin und Gerhard Schröder am 8. Oktober 2003 gewidmet. Hoffnung, Esperanza, Nadeshda, Hope heißt es auf dem schwarzen Granit aus Afrika. Ein Ring metamorpher Gesteine steht für Asien. Ein Erzblock, um den fünf geschliffene und polierte schwarz-weiß gebänderte Gesteine angeordnet sind, vertritt Australien, und der auffälligste Monolith, der drei Meter hohe, 35 Tonnen schwere „Walfisch“ ist ein Zeichen für Amerika und bedeutet Liebe – Schwarzenberg fand ihn in Venezuela. Jeder Stein hat seine Geschichte und seine Bestimmung. Der Künstler vergleicht die Bearbeitung, das Licht und die Anordnung mit Hieroglyphen, deren Bedeutung „intellektuell, emotional oder intuitiv zu erfassen“, sei dem Betrachter überlassen. Jeder hat die Wahl zwischen Kunstwerk, Monument, Symbol für globales Bewusstsein, für Frieden – oder alles zusammen.

Als alles begann, vor zwölf Jahren, hatte man in Berliner Ämtern mit etwa fünf Steinen gerechnet – nun liegen in einem großen Umkreis 23 „Findlinge“ auf einer Langgraswiese. „Mehr allerdings verträgt der denkmalgeschützte Tiergarten nun wirklich nicht“, sagt Klaus von Krosigk zu diesem Stonehenge an der Spree. Der Gartenbaudirektor tröstet sich mit dem Gedanken, dass diese bunte Mischung von Glaube, Liebe, Hoffnung auf der steinernen Wiese genau in diese Stadt passt: „Das ist es eben: Berlin im Kleinen“.

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