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Stummfilmfestival im Babylon: Charlie Chaplin kehrt zurück nach Berlin

Vor 80 Jahren besuchte Charlie Chaplin Berlin. Im Babylon gibt es zum Jubiläum das Gesamtwerk als Stummfilmfestival - mit Orchesterbegleitung.

Das Gedränge am Bahnhof Friedrichstraße war höllisch. Die Polizei hatte sich an jenem 9. März 1931 sorgfältig auf die Ankunft Charlie Chaplins vorbereitet, versuchte ihn durch einen Schutzkordon vor dem Ansturm der Schaulustigen, Autogrammjäger und Pressevertreter zu schützen – vergeblich, wie der „Berliner Lokal-Anzeiger“ schrieb: „Im nächsten Augenblick schon ist er in einem dichten Menschenknäuel verschwunden.“ Auch der Weg zum Adlon war bestimmt durch den „wilden Enthusiasmus der Menschenmengen“, wie Chaplin später in seiner Autobiografie schrieb. Das peinlichste Detail allerdings sparte er aus, anders als Hedda Adlon, Frau des damaligen Hotelchefs, in ihren Erinnerungen: Im Gedränge hatte man dem Schauspieler die Hosenknöpfe abgeschnitten, „mit beiden Händen die Hose festhaltend, floh er in den Fahrstuhl“.

80 Jahre liegt der bis zum 15. März dauernde Besuch Chaplins zurück, bei dem er seinen Film „Lichter der Großstadt“ vorstellte. Für das Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz ist dies der Anlass für „Chaplin Complete“, ein vom 15. Juli bis 7. August dauerndes Festival, das erstmals in Deutschland das Gesamtwerk des Tramps unter den Filmkünstlern zeigen wird, ergänzt um Podiumsgespräche, ein Konzert und eine Ausstellung im Foyer über den legendären Besuch von 1931. Alle abendfüllenden Stummfilme, begleitet vom Neuen Kammerorchester Potsdam, werden gezeigt, neun thematisch geordnete Kurzfilmprogramme, ebenfalls mit Live-Begleitung, die ersten Gehversuche des künftigen Genies wie auch seine Tonfilme. In der Nacht auf den 23. Juli gibt es einen bis in den Morgen dauernden „Chaplin Marathon“, auch Dokumentarfilme sind zu sehen und obendrein Chaplins Tochter Geraldine, die mit acht Jahren im „Rampenlicht“ debütierte und später selbst zur erfolgreichen Schauspielerin wurde. Sie wird am Eröffnungstag dabei sein und am 16. Juli auf dem Podium über „My Father Charlie Chaplin“ berichten.

Ein erster Höhepunkt des Programms findet gleich am 15. Juli auf dem Pariser Platz statt: eine Vorführung von „Der große Diktator“ , umsonst und draußen. Es sei der Film, der Chaplin am stärksten mit Deutschland und Berlin in Verbindung bringe, sagte Festivalleiter Timothy Grossmann am Dienstag bei der Vorstellung des Programms. Wie die anderen Tonfilme wird auch Chaplins Hitler-Satire im Original mit Untertiteln gezeigt.

Andeutungen dessen, was Deutschland blühte, hatte Chaplin bereits 1931 mitbekommen: Nach der ersten Begeisterung der Massen wurde er zunehmend Objekt im politischen Grabenkampf. Besonders die Nazis taten sich hervor, schäumten über den Erfolg Chaplins, den sie fälschlicherweise für einen Juden hielten. 1940 tauchten Bilder des Besuchs in dem Propagandafilm „Der ewige Jude“ auf.

Zur berühmtesten Szene des „Großen Diktators“ war Chaplin durch Fotos aus der Neuen Reichskanzlei inspiriert wurden. So wusste er von Hitlers Riesenglobus – im Film das Spielzeug von dessen Alter Ego Hynkel, Requisit eines grotesken Tanzes, bis die Erdkugel platzt. In der Realität blieb der Globus erhalten. Rotarmisten entdeckten ihn in der Reichskanzlei, einer schoss, traf Deutschland. Heute steht der Globus samt Kugel im Deutschen Historischen Museum.

„Chaplin Complete“, 15. Juli bis 7. August, Babylon, Rosa-Luxemburg-Platz. Karten unter www.babylonberlin.de oder unter Tel. 242 5969. Die Vorführung auf dem unbestuhlten Pariser Platz am 15. Juli, 22 Uhr, ist gratis. Auch die Generalproben zu den Filmen mit Orchester sind gratis – für Kinder mit Kinderferienpass.

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