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Bitte kreischen Sie jetzt. Tausende johlten im Tempelhofer Hangar. Als die Schweigeminute begann, verstanden viele gar nicht so schnell, was das jetzt soll. Foto: Davids

© DAVIDS

Tanz nach der Trauer: 10.000 Techno-Fans feiern in Tempelhof

Die erste Techno-Party nach Duisburgs Drama: 10 000 Fans feierten im Flughafen Tempelhof und gedachten der Toten – aber nur ganz kurz

Das, was die Fans am Techno lieben, ist der Beat und das Wummern im Herzen, wenn der Bass aufgedreht wird. Sie lieben es, endlos in die Nacht hinein zu tanzen, zusammen mit anderen alles zu vergessen. Das ist es auch, was Fan Timo am meisten mag. „Ich gehe vollkommen im Beat auf“, sagt er. Für ihn ist „Dream Berlin“, die große Techno-Party, zu der sich im Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof an die 10 000 Fans zusammenfinden und bis zum Sonntagmorgen tanzen, „die Party des Jahres“.

Das liegt nicht nur an den vielen Gästen, den 14 Stunden Dauer-Techno und dem großen Festival-Gelände, sondern auch den Künstlern, die auftraten. DJ Tiesto und David Guetta, zwei der großen Stars der Szene, sind das erste Mal gemeinsam auf einer Party zu sehen – jeder der beiden hat eine große Fangemeinde, viele sind extra ihretwegen angereist, einige sogar von außerhalb Deutschlands. Eine junge Spanierin etwa ist nur für das Festival nach Berlin gereist. David Guetta, so sagt sie, ist ihr großes Idol.

Seinetwegen ist auch der Hangar 2 schon gegen 21 Uhr relativ gut gefüllt. Der große Raum wird mit Scheinwerfern blau ausgestrahlt, hin und wieder blitzen Lichter über die Köpfe der Tanzenden. „Dream“, blinkt es von einer Leinwand hinter dem DJ Pult. Wenn die Farben wechseln, jubelt die Menge. Sie jubelt auch, als die Musik um halb zehn plötzlich leiser wird, schließlich ganz verstummt und das Licht angeht. Vielleicht, so mutmaßt eine Besucherin, kommt jetzt Guetta. Oder ein Technikfehler, meint ihre Freundin. In der Aufregung geht die Ansage, die nun ertönt, fast unter. „Aus gegebenen Anlass“, sagt eine Frauenstimme, solle geschwiegen werden, eine Minute lang. Die wenigsten verstehen, um welchen Anlass es sich handelt, viele reden weiter, die Minute ist ja auch schnell vorbei. Als die Musik wieder angeht und der Beat wummert, bleiben ein paar wenige stumm stehen. Für sie war die Minute das, was sie sein sollte: Eine Schweigeminute für die Opfer der Massenpanik von Duisburg, für diejenigen, für die eine ähnliche Techno-Party tödlich endete. Auch wenn nicht alle Gäste den Wink des Veranstalters so schnell verstanden haben, das Unglück der Loveparade ist auf dieser Techno-Party dennoch gegenwärtig. Zumal ja nur wenige Stunden zuvor die öffentliche Trauerfeier in Duisburg stattgefunden hatte.

„Ich habe mir wirklich überlegt ob ich noch auf diese Party gehen soll“, sagt eine Besucherin. Sie ist aber doch gekommen, das Ticket war schon gekauft und Dream Berlin einfach zu verlockend. „Ein etwas schlechtes Gefühl ist jetzt aber schon dabei“, sagt sie. „Es ist eben einfach gefährlich, wenn so viele Menschen auf einem Haufen sind“, sagt ein anderer Besucher. „Ein Risiko gibt es da immer“. Das Risiko soll bei der Dream-Party aber gering gehalten werden. Die vielen Sicherheitskräfte sind zwar in dezente graue Sweatshirts gekleidet, so dass sie zwischen den Tanzenden kaum auszumachen sind, aber sie sind da. An jedem Ausgang stehen sie und zählen, wie viele hinein- und hinausgehen. Und wenn es doch brenzlig werde, könnten schnell die Tore des Hangars geöffnet werden, draußen gibt es eine große Freifläche ohne große Hindernisse. „Hier muss man wirklich keine Angst haben“, sagt ein Sicherheitsmann. Schließlich sollen die Fans hier ihren Spaß haben.

839 Minuten lang. Und eine Minute, in der der Beat einmal nicht durch den Flughafen hämmerte. Da ging es einmal nicht um Spaß an elektronischer Musik.

Julia Rothenburg

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