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Teil 5: Der Spielverderber: Angst vor dem Nutella-Fluch

Wir erklären, warum Fußball Wahnsinn ist. Und geben Tipps, was Sie heute tun können, während die anderen ihm verfallen. Dieses Mal: Fußball und Aberglaube.

Von Anna Sauerbrey

Tja, Jungs. Das war’s. Ghana, England, Argentinien habt ihr bezwungen, aber gegen Paul – gegen den werdet ihr nicht ankommen. Paul hat euer Ende vorausgesagt. Richtet euch schon mal mental auf eine Klatsche ein.

Nur für die wenigen, die Paul noch nicht kennen: Paul hat acht Arme und wohnt in Oberhausen, genauer gesagt im „Sea Life“. Dessen Betreiber haben die Krake zum WM-Orakel gemacht und damit einige Berühmtheit erlangt. Jedenfalls, wenn Live-Berichte von n-tv als Indikator für Berühmtheit gelten können. Vor den Spielen stellen Pauls Betreuer ihm zwei Glaskästen mit Futter ins Becken. Jeder Kasten steht für eine Mannschaft. Paul sagt den Gewinner des nächsten Spiels voraus, indem er sich für eines der beiden Fresschen entscheidet. Dieses Mal hat er den Deckel auf dem Spanien-Kasten angehoben. Das Miststück.

Mit großen Fußballturnieren kehrt regelmäßig der Aberglaube in die Mitte der deutschen Gesellschaft zurück. Dass der Afrikaner an sich gerne noch in traditionellem Gewand Hühnerblut auf Rasenplätzen verteilt, wurden europäische Medien ja im Zuge ihrer ethno-romantischen WM-Berichterstattung nicht müde zu dokumentieren. Die Deutschen sind, was Fußball angeht, mindestens genauso abergläubisch, aber dabei verschämter. Bei uns geht dem Ganzen die Dramatik ab. Undenkbar, dass es dem armen Paul im Rahmen des Rituals an den Kragen gehen könne. Peta würde Mahnwachen vor dem Kanzleramt organisieren.

Bei uns geht Aberglaube so: Kaum durch die Tür, fragte eine Bekannte beim letzten kollektiven Fußballgucken sofort: „Und, in welchen Trikots spielen sie?“ Die Jungs waren in schwarz, was aus der Sicht meiner Bekannten ein gutes Omen war, weil die Deutschen gegen Ghana auch in Schwarz gespielt hatten. Jemand wandte dann ein, dass die Elf gegen England in weiß gespielt hatte, was ja gut gelaufen ist, aber auch gegen Serbien, was ja nicht so gut gelaufen ist. Eine Prognose aussprechen wollte meine Bekannte dann aber sowieso nicht, denn das bringt Unglück.

Angst vor schwarzen Katzen, über die Schulter spucken, auf Holz klopfen – dieser ganze archaische Kram ist höchstens noch unter den Spielern verbreitet. Und selbst die halten sich inzwischen eher an hellblaue Pullis. Unter den Fans ist der Aberglaube viel banaler. Die richtige Sorte Bier, der richtige Gast im richtigen Sessel und die Spieler müssen den Nutella-Fluch meiden, der besagt, dass jeder, der in der Schokocreme-Werbung mitgespielt hat, in ein Leistungstief gerät. Der Fußball-Aberglaube ist auch nicht mehr, was er mal war. Er ist irgendwie … krakig geworden.

Stattdessen heute:

Für die, die es im letzten Jahr verpasst haben: Der Regisseur Robert Wilson zeigt noch einmal Shakespeares Sonette als barocke Bildergalerie im Berliner Ensemble, mit Musik von Rufus Wainwright und mit Unterstützung von Georgette Dee. Beginn ist 20.30 Uhr. Dank Fußball gibt es noch Karten. Weitere Tipps unter zitty.de.

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