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Dezembermädels. Chris (Sabine Orléans) und Celia (Sylvia Wintergrün) haben sich in saisonale Arbeitskleidung geworfen, um für den Kalender zu posieren.

© Doris Spiekermann-Klaas

Theater am Kurfürstendamm: Rauschen im Entblätterwald

Reife Frauen machen sich nackig für einen Kalender – erst im Kino und jetzt im Theater am Kurfürstendamm. Die britische Komödie „Kalender Girls“ ist nach einer wahren Begebenheit entstanden.

„Wenn jetzt die Tür offen ist, gehst du rein, setzt dich auf den Intendantenschreibtisch und verkündest, du willst bleiben und spielen“, sagt sich Manon Straché, eine kleine verrückte Hoffnung im Herzen. Das war 1985, die Schauspielerin gerade 25 Jahre alt. Doch weder steht damals die Tür des Theaters am Kurfürstendamm offen noch tut das die Mauer – Straché muss nach dem Gastspiel in West-Berlin wieder zurück nach Leipzig. „Nie hätte ich wirklich geglaubt, dass ich mal auf dieser berühmten Bühne stehen werde“, sagt sie heute. Doch Träume würden sich durchaus erfüllen, wenn auch manchmal über Umwege, so Straché.

Schon mehrfach hat Straché seitdem in dem traditionsreichen Haus gespielt, das untrennbar mit dem Namen Max Reinhardt und der Intendanten-Familie Wölffer verbunden ist und an dessen Wänden die Fotos von Schauspielern wie Inge Meysel und Harald Juhnke hängen. Morgen steht die 50-jährige Charlottenburgerin hier erneut auf der Bühne, bei der deutschsprachigen Erstaufführung der britischen Komödie „Kalender Girls“, die nach dem gleichnamigen Film von 2003 und nach einer wahren Begebenheit entstanden ist.

Das Stück handelt von sechs Freundinnen im englischen Yorkshire. Es ist ein Leben zwischen Vorträgen über Brokkoli, Wohltätigkeitsbasaren und Biskuitkuchen. In diesen faden Alltag bringen allein die mädchenhaft-ausgelassenen Treffen der gereiften Frauen Abwechslung und Würze. Bis der Mann einer der Frauen an Leukämie stirbt und die Freundinnen der Krebsstation des Krankenhauses zu seinem Gedenken ein neues Sofa schenken möchten. Das Geld dazu wollen sie auf ungewöhnlich Weise verdienen: mit einem Kalender, der die über 50-Jährigen beim Kochen und Stricken zeigt – und zwar nackt. „Natürlich war es zunächst ein komischer Gedanke, nackt zu spielen“, erzählt Straché. Aber dann habe sie sich gesagt „nackt ist auch bloß ein Kostüm“. Regisseur und Intendant Martin Woelffer habe während der Proben zudem eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen. Und dass am 6. Januar eine Vorstellung zugunsten der Deutschen Leukämie-Stiftung stattfindet, gebe ihr auch das Gefühl, in ihrer Rolle der strebsamen, etwas verklemmten Ruth selbst etwas Gutes tun zu können.

Kein Problem mit der geschickt choreografierten Nacktszene hat auch Brigitte Grothum, die die resolute ehemalige Lehrerin Jessie spielt. Sie fürchtete zunächst aber, dass Woelffer die erstmalige Zusammenarbeit mit ihr unangenehm sein könnte. „Denn ich kenne Martin schon seit dem Planschbeckenalter“, sagt die 75-Jährige, die mit Woelffers verstorbenem Großvater Hans und seinem Vater Jürgen, den früheren Intendanten der Ku’dammbühnen, viele Jahren eng befreundet war und ist. 1957 stand Grothum unter der Regie des Großvaters zum ersten Mal auf dieser Bühne, in dem Stück „Hier bin ich, hier bleib ich“ zusammen mit Günter Pfitzmann. „Das ist ein schöner Slogan, denkt man an die unsichere Zukunft dieses Theaters und der Komödie am Ku’damm“, sagt Grothum. Jede neue Inszenierung hier sei ein Tanz auf dem Vulkan. Aber ein notwendiger, wolle man das Erbe des Hauses bewahren, so die Schauspielerin.

Seit 2004 sind die beiden Privatbühnen durch den geplanten Umbau des Ku’damm-Karrees von Schließung und Abriss bedroht. Seitdem führt Woelffer, ermöglicht durch den Mieterlass des irischen Investors, eine Provisionswirtschaft, mit der er maximal 18 Monate planen kann. „Wir spielen an diesem Ort weiter, solange es geht“, betont er. Bevor über das Baurecht des Investors entschieden wird, will der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf den Bürgerentscheid für die Erhaltung der Bühnen am 16. Januar abwarten. 36 000 Stimmen sind dafür notwendig. Wenn hingegen der Erlös aus dem Verkauf charmanter Pin-up-Fotos die Zukunft des Theaterbetriebs sichern könnte – die Kalender Girls wären wohl sofort dabei.

Morgen bis 21. Januar 2011, um 20 Uhr, Sonntag um 18 Uhr, Theater am Kurfürstendamm 206. Tickets 13 bis 47 Euro. Telefonnummer 88 59 11 88, www.komoedie-berlin.de.

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