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Theater des Westens: Der Seitensprung

Harry Kupfer wird der Oper untreu. Er inszeniert am Theater des Westens das Musical "Elisabeth - die wahre Geschichte der Sissi“.

Nachmittags, wenn keine Vorstellungen stattfinden, ist das Foyer im Theater des Westens ein ruhiger, entspannter Ort. Sitzgruppen verteilen sich locker im Raum. Ein Arbeiter streicht eben noch mal über die weißen Wände, doch ist er bald verschwunden. Harry Kupfer hat aber nicht viel Zeit für ein Gespräch. Auf der Bühne warten die Mitwirkenden des Musicals „Elisabeth“ auf ihren Regisseur, damit sie weiter proben können. Kupfer spricht zügig und bestimmt, wenn man ihn etwas fragt, kommen die Antworten wie aus der Pistole geschossen, und sie enthalten kein überflüssiges Wort.

„Elisabeth“, das Stück über die österreichische Kaiserin, die sich im Laufe der Jahre immer weiter in sich selbst zurückzog, die dadurch ihren Sohn und Thronfolger mit in den Selbstmord trieb und später in Deutschland zur „Sissi“ verkitscht wurde, ist ab 20. April erstmals in Berlin zu sehen. 1992 wurde es im Theater an der Wien uraufgeführt, auch damals schon hieß der Regisseur Harry Kupfer. Jetzt wird er eine überarbeitete Fassung präsentieren. Eigentlich kennt man den 72-Jährigen nur als Opernregisseur und langjährigen Leiter der Komischen Oper, doch mit dem Musical „Elisabeth“ hat er einmal den Ausflug hinüber ins kommerzielle Theater unternommen, „weil es eine starke Handlung hat, eine Substanz, die uns heute noch berührt.“ Es zeige, wohin fehlgeleitete Emanzipation führe, nämlich zum Verlust von Humanität und Menschlichkeit und zur Selbstzerstörung. Elisabeth – gespielt von Pia Douwes – sei ja nicht nur eine positive Figur. Der Weg, den sie gegangen sei, führe zu Egoismus und Chaos. „Und dann gibt es da noch den Geniestreich der Autoren, die Figur des Todes einzuführen, mit dem Elisabeth eine Liebesbeziehung hat. Wir wissen, dass sie todessehnsüchtig war.“

Kupfer schwärmt vom Musical, von den technischen Möglichkeiten, die hier viel größer seien als in der Oper, wo jeden Abend eine neue Vorstellung aufgebaut werden muss. Nur die Mikroports, die den Sängern im Gesicht kleben und dabei jede theatrale Illusion zerstören, die stören ihn ungemein. „Ich hoffe, dass es in spätestens zehn Jahren eine Erfindung gibt, die das überflüssig macht.“ Aber ansonsten habe man hier viel größere Freiheiten. Warum hat er dann in seiner Bühnenkarriere mit „Mozart!“ nur noch ein weiteres Musical inszeniert? „Weil mich Musical nur reizt, wenn es die oberste Qualitätsgrenze zumindest streift. Es gibt so viele Musicals, die brauchen gar keinen Regisseur, das kann ein Choreograf machen, die Leute gehen nur hin, um bestimmte Nummern zu hören. Wenn die Geschichte nicht aufregend und kritisch ist, im Sozialen, Politischen oder Menschlichen, dann hat es für mich keinen Sinn.“

Kupfer war bis 2002 Chefregisseur der Komischen Oper. Was macht er jetzt, nach 21 Jahren am gleichen Haus? Er kommt endlich zum Lesen und schaut sich Filme an: „Ich habe mich noch keine Minute gelangweilt!“ Er reist so oft es geht nach Asien um sich mit Kultur und Religion dieser Länder zu beschäftigen. China allerdings meidet er: „So ein System haben wir in der DDR zur Genüge genossen“. Rund vier Opern inszeniert er noch im Jahr, das nächste Mal die „Lustige Witwe“ in Hamburg.

Kupfer ist nicht sentimental, die Komische Oper vermisst er nicht. „Man soll nicht zurückschauen. Wenn eine Sache ein Ende hat, hat sie ein Ende.“ Außerdem würde ihn Musiktheater immer mehr langweilen. Er meint das ganz ernst. „Die meisten Produktionen sind heute dilettantisch, ich muss mich ärgern oder ekeln.“ Oft werde im Detail nicht genügend gearbeitet. „Damit muss ich mich nicht belasten“, sagt Kupfer. „Aber Sie können sicher sein, wenn irgendwo an den drei Berliner Häusern eine Aufführung zustande kommt, bei der man Spannung erlebt, menschliche Geschichten, wie auch immer erzählt, dann bin ich da.“ Jetzt ist er allerdings erst mal weg. Auf der Bühne geht die Probe weiter.

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