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Tierpräparator: Tote Tiere werden zu ewigen Statisten

Dieser Job ist nichts für zarte Gemüter: In Charlottenburg werden Tiere präpariert. Hollywood braucht Dummys für Actionfilme und Hundefreunde wollen ihren Liebling bewahren.

Auf dem Grund des Porzellanwaschbeckens bewegen sich im Takt des Wassers shampoonierte Haare seicht hin und her. Von Bläschen benetzt, treibt eine schwarze Hundenase bewegungslos zwischen den Schauminseln. Dann greift Tierpräparator Dirk Stoewe, 39, mit seiner Hand ins Becken und zieht zwei leere Augenhöhlen und eine Hundeschnauze ohne Zähne heraus. Er wringt das weiße Fellknäuel behutsam aus und legt es in den Trockner. Bei 1400 Umdrehungen klopfen die Knochen gegen die Metallwände der Trommel.

Ein Papagei schaut zu. „Der ist an einem Brötchen erstickt“, wirft Stoewe beiläufig ein. Präparierte Hähne und Fasanen strecken ihre Flügel Richtung Boden, während das Fell aus der Schleuder kommt und auf der Werkbank ausgebreitet wird. Mit einem dicken Draht werden die Schenkelknochen fixiert und mit Holzwolle umwickelt, zwischendurch blickt er immer wieder auf ein altes Foto. Alles nach Augenmaß. Es passt perfekt.

16 Jahre lang war Stella Teil eines gutbürgerlichen Lebens. Eine treue Wegbegleiterin. 450 Euro zahlt die 85-jährige Dame nun für die Präparation ihres West Highland White Terriers. Stella soll wieder in der kleinen Kuhle am Fußende der Wohnzimmercouch ruhen.

Ein Dachs und ein kleiner Haifisch schauen dem geschäftigen Treiben in der Kamminer Straße 7 starr durch das matte Schaufensterglas zu. Der erste Schritt in die Werkstatt kündigt sich durch ein helles Türglöckchen an. In dem schummerigen Raum fällt das Licht auf ein verstaubtes Schwertfischskelett und farbenfroh glänzende Käfer und Schmetterlingspräparate an der Wand. Neben dem zerzausten Bärenfell stehen ein sibirischer Wolf, ein zusammengekauertes Wisentkalb, die Weihnachtstauben des KaDeWe, Füchse, Kaninchen und auch drei tanzende Mäuse.

Dirk Stoewe arbeitet zusammen mit Besitzer Ingo Kopmann, 50, in der Berliner Präparationswerkstatt in Charlottenburg. Erst wurde die erste Freundin zum Einjährigen mit einem ausgestopften Kaninchen beschenkt, dann gab Ingo Kopmann schließlich seinen Job als Polizist auf und machte sein Hobby zum Beruf. Angler Stoewe wollte sich eigentlich nur einen Hechtkopf präparieren lassen, wechselte dann aber vom Lackierer-Meister direkt ins Präparator-Metier.

Sie erzählen vom Taubenschießen in Quentin Tarantinos neuem Film „Inglorious Basterds“, nur eine von vielen Produktionen, für die sie bisher die Tierdummys gemacht haben. „Der Dammhirsch, der in Urs Eggers Film ,An die Grenze’ in die Selbstschussanlage der deutsch-deutschen Grenze gerät und dort verendet, war schon eine große Nummer“, erinnert sich Kopmann. „Am Set haben wir die Beine mit Schnüren zum Zucken gebracht, mit Einwegpumpen den Brustkorb auf- und abbewegt und Filmblut aus den Einschusslöchern rinnen lassen.“ Ob Bob Wilson oder Roman Polanski, der Bulle von Tölz oder einfach Jäger und Sammler, Museums- und Schuldirektoren oder Fotografen und Studenten – die Nachfrage wächst.

Graue, feuchte Tonstreifen werden nun auf das holzwollene Gesicht von Stella gelegt. Mit seinen Fingerspitzen formt Stoewe die Augenhöhlen, die Stirnpartie nach. Immer dickere Tonstücke drückt er auf die Schnauze, bis sich die unförmige Kugel allmählich in ein Hundegesicht wandelt. Noch etwas Ton in die gespaltenen Ohren geschmiert, und der Rumpf kann endlich eingesetzt und die Drähte der Beinchen und des Schwanzes anatomisch korrekt in ihm verankert werden. Beim Nähen wippen die Pfoten im Takt.

Es klappert hinter Stoewe. Kopmann sucht nach Augen. Zwischen kunterbunten Lachsforellen- und gelben Eulenaugen findet er noch ein Paar dunkelbrauner Hundeaugen. Ein Modellierstab positioniert die zwei Glasaugen im Hundekopf. Stoewe variiert den Blick des Tieres: Das Menschliche verlässt die Augen des Hundes, als er sie runder werden lässt.

Da liegt sie nun. Das Schnäuzchen geschlossen, der Blick vertrauensvoll. Die tiefbraunen Augen lassen Stella beinahe wieder lebendig werden. Fast erwartet man eine Reaktion, eine Kopfbewegung oder ein leises Schnaufen. Nichts. Die Fingerspitzen fahren durch das weiche Fell, graben sich schließlich immer tiefen ein. Stella gibt beim Streicheln nach, die Haut ist noch rosig und zart und schimmert unter dem lichten Pelz zaghaft hindurch. Die Illusion ist perfekt.

Stella wird ihre Besitzerin über ihren Tod hinwegtrösten. Sie wird die Einsamkeit vertreiben und den Halt der geliebten Gewohnheit wiederherstellen, wenn sie zusammengerollt in der Mulde am Fußende der Wohnzimmercouch ruht.

Berliner Präparationswerkstatt, Kamminer Straße 7, Charlottenburg, Telefon: 345 17 96, www.taxidermy-berlin.com.

Catharina Tews

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