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ITB

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Tourismusbörse: ITB - Ein Traum von einer Welt

Die Tourismusbörse hat mit der Realität nicht viel zu tun. Das macht sie umso schöner. Am Wochenende dürfen auch Privatbesucher hin und den ganz besonderen Reiz selbst erleben.

Jahrzehntelang passte kein Löschblatt zwischen die Messestände von Österreich und der Schweiz auf der ITB. In diesem Jahr aber prangt dazwischen eine Fototapete mit diesem Schloss, das man doch irgendwoher … – Liechtenstein! „Mittendrin“ heißt das Motto dieser ITB-Premiere, aber gemeint ist nicht der Schlamassel, wie die Marketingfrau Martina Michel-Hoch berichtet: „Wir repräsentieren hier das Schöne, also das Ferienland.“ Also: Die Skigebiete sind schneesicher, weil 1600 bis 2000 Meter hoch gelegen und durch Schneekanonen vor dem Klimawandel geschützt. Weil die Zahl der Lifte nicht riesig ist, sind es auch die Preise nicht. Und seit vergangenem Herbst gibt es auch Liechtensteiner Bier.

In diesem Moment biegt Klaus Wowereit um die Ecke. Man wähnt ihn schon auf neuen Wegen zur Haushaltskonsolidierung, aber dann schiebt seine Entourage ihn rechts herum zum „Genussland Österreich“, wo er unter dem Blick von 20 Kameraobjektiven ein Brotstück mit sehnigem Schinken essen muss. Die Kurdirektoren können gerade noch den „Herrn Oberbürgermeister“ in ihre Regionen einladen, bevor seine Aufpasser ihn weiterscheuchen auf seinem Eröffnungsrundgang. Zurück bleiben glücklich lächelnde Menschen – ein ebenso bemerkenswertes wie zuverlässiges Phänomen bei Wowereits beliebten Prinz-Charming-Auftritten.

Ein Reiz der ITB, die am Samstag und Sonntag jedermann besuchen darf, sind die aus allen Teilen der Welt stammenden Menschen, die hier freundlich miteinander plaudern. Israel ist wie gewohnt von seinen Feinden umzingelt, für den Sudan werben Männer mit tadellos sitzenden Anzügen, Kenia ist sandfarben und weit wie die Savanne.

Wie diese Menschen für Berlin begeistert werden sollen, ist in Halle 12 zu besichtigen, wo die Hauptstadt sich jetzt ein eigenes Schild leistet und nicht mehr hinter der Deutschen Zentrale für Tourismus versteckt. Beim Reinkommen erschrickt man kurz, weil Angela Merkel einen anlächelt – als Wachsfigur, mit der Tussauds für seine künftige Berliner Filiale wirbt. Wäre sie echt, wäre ihr Blick wohl finsterer: Zwei Meter hinter ihr werben junge Menschen mit Pionierhalstüchern für das „Ostel“ in Friedrichshain, das Wohnen in DDR-Ambiente verspricht, „mit Verschleißerscheinungen an den Originalmöbeln und mit Liebe zum Detail“, wie eine Hostess sagt. Dass dabei Experten am Werk waren, muss angesichts des Fotos von Erich Honecker in der Schrankwand des Musterzimmers aber bezweifelt werden: So gaga waren die Arbeiter und Bauern wirklich nicht.

Wer sich also als Fremder über die neue Berliner Hotelmode wundert, wird bei „Teddy Tours“ vollends ratlos zurückbleiben: Hier werden Kuscheltiere auf Reisen geschickt und kehren anschließend samt Fotobeweisen („Brummi vor dem Brandenburger Tor“) zu ihren Besitzern zurück. Offenbar läuft das Geschäft so gut, dass ein eigener kleiner Messestand drin ist. Die BVG hat auch einen, an dem nicht nur nicht gestreikt wird, sondern auch Gummibärchen satt ausliegen. Vielleicht ist die Diskrepanz zur Wirklichkeit das Schönste an der ITB.

In der Arabien-Halle ist die Weihrauchbefeuerung stärker als jeder Schnupfen. In Pavillons mit Schnörkeln aus tausendundeiner Nacht wird für Dubai all inclusive ab 2890 Euro geworben. Dafür gibt es zehn Hotelnächte mit insgesamt 50 Sternen. Iran hat in der Messehalle eine Art kleine Wüstenstadt errichtet. Nur der mittendrin geparkte rot-blaue „Zaster- Laster“ der Berliner Volksbank passt stilistisch nicht hundertprozentig dazu.

Wie gut der Reisewelt die EU-Erweiterung getan hat, lässt sich an der Opulenz erkennen, mit der einstige No-go-Areas wie die baltischen Republiken und Polen für ihre Schönheiten werben. Polen hat sogar seine bedeutendste, „Miss Poland“, mitgebracht. Aber auch sonst sind die Stände mit derart freundlichem Personal besetzt und mit so professionell gemachten Informationen bestückt, dass man gleich hinfahren möchte. Wie wichtig umgekehrt Polen und Tschechen für den Tourismus anderswo werden, kann man von Südtirol bis Brandenburg erfahren.

Im Berliner ITB-Umland sticht das Tropical Islands durch einen zweistöckigen Stand im Blumenladenstil hervor. Pressechef Patrick Kastner sagt, man werde zunehmend von der Freizeit- zur Urlaubswelt: Wer kein Zelt mieten wolle, könne am Stand schlafen und so ab 25 Euro seinen kleinen Tropenurlaub bekommen. Das Wetter ist dank Dach und Heizung mit 26 Grad stabil, und seit die lauten Abendpartys abgeschafft wurden, ist es abends beinahe idyllisch. Für Menschen mit Flugangst also eine echte Alternative. Die anderen können ja weiter durch die Welt reisen, um ihre Illusionen aus exotischen Ländern mitzubringen.

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