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Trickfilmexperte: Dr. Horror in China

Der Berliner Trickfilmexperte Rolf Giesen wird Museumsdirektor in Fernost. Dort gestaltet er ein ganzes Museum zu Animationsfilmen, Computerspielen und Comics.

Als Fred Feuerstein in den sechziger Jahren mit dem Rüssel eines Mammuts den Boden seines Steinhauses saugte, war an Hightech-Trickfilme wie „Avatar“ nicht zu denken. Mittlerweile saust Nemo durch eine real wirkende Unterwasserwelt, und Computer übertragen die Bewegungen von echten Menschen in animierte Filme. Der Animationsfilm ist ein bedeutender Markt geworden, und der Berliner Filmwissenschaftler Rolf Giesen ist Experte auf dem Gebiet. Nun wird er Museumsdirektor in China und darf ein ganzes Museum zu Animationsfilmen, Computerspielen und Comics gestalten.

Vor 50 Jahren sah Giesen das erste Mal einen Trickfilm. Der ließ ihn nicht mehr los: Er gestaltete Ausstellungen, produzierte Teile des westdeutschen Sandmännchens und schrieb das Drehbuch zu „Lauras Stern und der geheimnisvolle Drache Nian“. Giesen war Gastprofessor in Peking und lehrt seit einem Jahr im chinesischen Changchun, wo das Museum entsteht. China ist verrückt nach Animation. Von den 150 000 Minuten Animationsfilm, die jährlich entstehen, ist zwar das meiste schlecht, weiß Giesen. In manchen Filmen aber spiegele sich der gesellschaftliche Aufbruch wieder. Dann sprängen nicht nur Kung-Fu-Hasen herum, sondern es gehe um soziale Verdrängung, Drogen und Medien. Giesen, 57, schrieb auch Bücher über den Fantasy- und Horrorfilm und bekam in den achtziger Jahren den Spitznamen „Dr. Horror“. Im Museum für Film und Fernsehen in Berlin konzipierte er die 2008 geschlossene Ausstellung „Künstliche Welten“. Sie beschäftigte sich großteils mit der Animationslegende Ray Harryhausen, der die Stop-Motion-Technik perfektionierte. Giesen baute zudem die Sammlung „Animation und Special Effects“ auf, die seinen Namen trägt. Für das Museum in Changchun sucht er noch ein Konzept. „Es muss multimedial ausdrücken, dass Cartoonfiguren Fantasieprodukte sind, durch Wände gehen können, unabhängig von Raum und Zeit sind“, sagt Giesen.

Das Museum gehört zur großen Animationsschule „Jilin Animation Institute“. Neben der Geschichte des Trickfilms und den neuesten Techniken möchte Giesen den deutschen Trickfilm zeigen. Animation ist dabei längst nicht nur der Trickfilm, wie man ihn von „Tom und Jerry“ kennt. Wenn einem Knetmännchen die Nase länger wächst, zählt das ebenso zum Genre wie ein animierter Hund, der auf einem realen Schreibtisch mit einem falschen Hasen kämpft.

Ende November fliegt Giesen wieder nach China. Er will dann auch deutsche und chinesische Animationsfilmer zusammenbringen: „Das ist ein riesiger Markt, das wird immer größer.“ Changchun ist zugleich das Zentrum der chinesischen Automobilindustrie, auch die deutschen Marken VW und Audi sind dort präsent. Weil die ihre neuen Fahrzeugtypen oft digital animiert testen und auch keine Werbung ohne Animation auskomme, hofft Giesen auf Zusammenarbeit. Das chinesische Museum mit dem Berliner Direktor soll im September 2011 öffnen. Christoph Spangenberg

Animationsfilme aus China und der ganzen Welt gibt es am 17., 19., 20. und 21. November beim Kurzfilmfestival Interfilm in den Kinos Babylon, Passage, Roter Salon und in der Volksbühne. Zeiten auf www.interfilm.de.

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