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© dpa

Udo Jürgens: Einfach er

Auf seiner neuen CD singt Udo Jürgens gegen Navi-Geräte und Klimawandel an. Und für die Liebe natürlich. Gestern stellte er sein 51. Album mit fast jugendlichem Charme im Adagio am Potsdamer Platz vor.

Der Freund hatte ein neues Auto, mit allen Raffinessen. Stolz zeigte er beim Abendessen den Schlüssel herum. Hier müsse man nur draufdrücken, dann gehe das Licht an, die Türen öffneten sich, der Kofferraumdeckel klappe auf. Das alles trat im Laufe des Abends in den Hintergrund, erst später, beim Abschied vor der Tür, war der magische Schlüssel wieder präsent. Er hatte funktioniert: Scheinwerfer an, Türen auf, Kofferraum offen.

„Eine wahre Geschichte“, versichert Udo Jürgens – und lässt keinen Zweifel: Das hätte auch ihm passieren können, ist doch auch er „sehr ungeschickt in technischen Dingen“. Aber er kennt sie schon, diese schöne neue Welt, vollgestopft mit immer neuen Apparaten voll geheimnisvoller Bedienungsanleitungen. Er kennt sie sogar so gut, dass er sich darüber lustig machen kann, diese Welt, in der alles, er selbst eingeschlossen, „total vernetzt“ sei. Vom Auto ganz zu schweigen: „Der Gurt, er stänkert, ich soll ihn schließen, / Und die Navi-Tante meckert mich an, / Ich soll gefälligst rechts rum fahr’n.“

Und damit sind wir schon mittendrin in der Präsentation der – ja, tatsächlich – 51. Studioplatte von Udo Jürgens, der soeben, überflüssig genug, als der „größte deutsche Entertainer“ angepriesen worden ist, zuverlässig und von großer Kontinuität, „seit über 40 Jahren beim selben Label Ariola, seit 30 Jahren mit demselben Manager“, und wenn man Glück habe, sei die neue CD bald schon in den Top Ten. Und während der Rhythmus des Songs vorwärtsstürmt, Udo Jürgens immer neue Formen moderner Vernetzung mit sanfter Satire seziert, wird vielleicht mancher der im Adagio, im Untergeschoss des Theaters am Potsdamer Platz, versammelten Journalisten erleichtert aufseufzen: Die Platte ist insgesamt doch nicht so melancholiegesättigt, wie der Titelsong befürchten ließ: „Einfach ich“.

Mit Fanfarenstößen beginnt sie, ihre Fanfaren haben den Sänger auch beim Betreten des Saales angekündigt, nun sitzt er am Flügel, mittlerweile 73 Jahre alt, aber nicht so der rüstige Typ, eher von fast jungenhaftem Charme, nicht ohne Selbstironie: „Ich spiele nicht das ganze Album vor, keine Sorge.“ Eigentlich liege es quer zu den Strömungen der Zeit: Für solch eine Platte 120 Musiker zu versammeln, wer mache das heute schon noch. Für ihn aber war es „ ein tiefer Wunsch, in die Vollen zu greifen“, Also in diesem Fall unter anderem mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra zusammenzuspielen, das schon viele Filmmusiken eingespielt habe, „Harry Potter“ etwa, „Herr der Ringe“ oder diverse Bonds. Und auch nicht irgendwo in London habe er das Album eingespielt, nein: Apple Studios, Abbey Road. Denn dort, wo einst die Beatles produziert haben, wollte er schon immer einmal hin.

Aber auch in Berlin ist die neue Platte entstanden, elf Monate hat die Arbeit an den 15 Songs gedauert, genaugenommen sogar fast zwei Jahrzehnte, ist doch „Fehlbilanz“ schon vor so geraumer Zeit entstanden und kam nun als Bonustrack auf die Songliste. Wieder einer der Songs mit spöttischer Grundierung, in der Tradition von „Aber bitte mit Sahne“ oder „Dieses ehrenwerte Haus“. Und zugleich ist es ein Stück, das die beiden Seiten des Udo Jürgens, die gefühlvolle und die satirische, in sich zusammenzwingt, mit überraschendem Tempowechsel mittendrin und einigen Gitarrensoli, die man eher auf Rockplatten vermuten würde.

Auch die erste Single-Auskopplung kann Udo Jürgens vorstellen, es dürften aber, ist er sich sicher, noch weitere folgen. So wie er schon in „Total vernetzt“ weit weg war vom falschen Schmelz der Schlagerbranche, lässt er auch in „Tanz auf dem Vulkan“ die Liebe Liebe sein und wird zum Satiriker, das sei man bei ihm ja gewohnt. An sich „ein trauriges Thema“, aber hochaktuell: Udo Jürgens singt gegen den Klimawandel und wird zum großen Ökologen. Denn die Erde, es geht ihr schlecht, sehr schlecht: „Wir plündern sie aus, wir heizen ihr ein, / Das überlebt auf die Dauer kein Schwein.“

Aber solche Zeilen sind eben nur Teil von „Einfach ich“, und eines ist bei Udo Jürgens immer garantiert: „Liebeslieder gehören natürlich dazu.“ Und für beide Seiten des Sängers, so versichert er, gelte gleichermaßen: „Ich mache Musik aus unendlicher innerer Begeisterung, das ist meine Triebfeder und sonst gar nichts.“

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