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© Mike Wolff

Uli Hannemann: Tagebuch eines Dieseljunkies

Von Neukölln ins Taxi: Autor Uli Hannemann hat Klischees zu einem lustigen Buch verarbeitet.

Treffpunkt ist der Taxistand Gneisenaustraße Ecke Zossener in Kreuzberg. Gibt’s da auch bestimmt wartende Taxen? „Garantiert“, sagt Uli Hannemann sarkastisch und verweist dabei auf seine Erkenntnisse aus der Taxiwarteschlange. Der Autor und Lesebühnenheld hat nach seinem Berlin-Buchhit „Neulich in Neukölln“ jetzt ein weiteres Klischee aufs Korn genommen: „Neulich im Taxi“ (Ullstein). Klar, dass er da auch fürs Foto im Taxi sitzen muss, obwohl seine 17 Kutscherjahre inzwischen dank der Neukölln-Satire Geschichte sind.

„Ach, da ist ja der Volker“, ruft Hannemann, als er nach vorne gebückt die wartende Taxireihe entlangspäht. Und der grau bezopfte Volker hat gar nichts dagegen, seine beige Karre als Fotokulisse zur Verfügung zu stellen. Wie lange er schon Taxi fährt? „Zu lange!“, brummt Volker. Wetter ist für Taxifahrer sicher ganz o.k. heute, oder? „Grauenhaft“, seufzt Volker, „vier Wochen kaum eine einzige Wolke am Himmel und dann das bisschen Regen.“ Als Taxifahrer stehe er generell nur auf Winter. Und wie geht’s Geschäft? „Schlimm, seit Januar 25 bis 30 Prozent Umsatzrückgang“, stöhnt Volker.

Könnte glatt in „Neulich im Taxi“ stehen der Dialog. In Uli Hannemanns Taxi- Fibel bearbeitet der 1965 in Braunschweig geborene Satiriker alle sattsam bekannten Droschkenkutschereigenschaften Berlins wie Nölerei, fehlende Ortskunde, chronischer Redeschwall oder Pampigkeit. In kurzen Glossen, die stets mit einer Alltagsszene aus dem „zweitältesten Gewerbe der Welt“ beginnen und dann nach den ersten zehn Sätzen grotesk zugespitzt überdrehen. So, wie die über die kettenrauchende Moabiterin, die ob der dicken Luft in der Taxe mosert, „Haste keene Klimaanlare in deine Jurke?“, und schließlich ihren quengelnden Kids Kippen anzündet. Sie ist nur eine von unzähligen Bekloppten, die der Nachtfahrer von Berlins Straßen aufliest.

Irgendwie setzt sich beim Lesen der Eindruck fest, dass der nette Herr Hannemann im lockeren Studentenlook seine Taxikunden ziemlich gehasst hat. „Nö“, meint er, „nichts hat mir den Job so verleidet wie das sinnlose Rumgestehe.“ Da würde man weder gebraucht noch bezahlt, was schließlich Voraussetzung sei, um einfache Arbeit zu ertragen. Bis zu zweieinhalb Stunden habe er oft auf eine Fuhre gewartet, sagt der „gescheiterte Taxifahrer“, der jahrelang an der FU „die Speisekarte rauf und runter studiert hat“ und seit zehn Jahren Texte schreibt. Der „Gescheiterte“ ist auch Teil seiner Fahrertypologie, die im Buch genauso zu finden ist wie Tipps zum richtigen Taxifahren („Trinkgeld geben adelt, Kurzstrecke fahren ist wie Delfinbrötchen essen“).

Was Hannemann im Taxi übers Leben gelernt hat? „Nichts“, resümiert er nach reiflicher Überlegung bündig. Aber berufliche Deformationen seien bei Taxifahrern an der Tagesordnung: Das ewige Warten führe zu unglaublich verlangsamten Bewegungen und die einsamen Taxinächte zu Schwatzhaftigkeit. Die kanalisiert Uli Hannemann, der Mitglied der Lesebühnen „LSD“ und „Heim & Welt“ ist, bei seinen regelmäßigen Auftritten. Schriftstellerisch am Ende sieht er sich noch lange nicht, auch wenn er nun nach dem Neuköllnertum auch seine Taxijahre zu eingängigen Häppchen verwurstet hat. „Die Bücher sind ja eh Abfallprodukte“, sagt der schreibende Scherzkeks.

Ein Taxi-Buch soll übrigens sein Ex- Kollege Volker geschenkt bekommen, den Hannemann bald mal wieder auf ein Bier treffen will. „Der hat als Einziger von uns beim Warten an der Taxihalte immer Philosophie-Bücher gelesen.“ Warum, hat er das studiert? „Macht er immer noch“, grinst Hannemann, „er ist ja gerade mal 50“.

Lesungen: 7. Mai, 20.30 Uhr, in der SoSch Buchhandlung Gropius-Passagen, Eintritt 7 Euro. Und am 8. Mai, 18 Uhr, bei Dussmann, Friedrichstr. 90, Eintritt frei.

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