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© ddp

Varieté: „La vie en rose“ gegurgelt

Heute hat „Die fabelhafte Varieté-Show“ Premiere. Gastgeberin im Wintergarten ist Meret Becker.

Die Diva trägt Tutu, wie immer. Darüber einen langen weißen Webpelz und statt Pudel ein weißes Karnickel. Rot blitzen die Augen, das Halsband, die Leine. Die Mondsüchtige trinkt Wasser und gurgelt „La vie en rose“, das Albinokarnickel hoppelt zum Bühnenrand und schlackert mit den Ohren. Meret Becker vergurgelt sich prustend, Szenenapplaus für das selten spinnerte Szenario brandet auf.

Der Tischnachbar handelt mit Wurstmaschinen und ist nur wegen ihr zur Voraufführung in den Wintergarten gekommen: Meret Becker – Star, Conférencière, Bandleaderin, Muse und Sängerin der am heutigen Freitag Premiere feiernden „Fabelhaften Varieté-Show“ ist nun mal das versponnenste Zirkuskind der Stadt. 41 Jahre ist sie alt, Kreuzbergerin und erfolgreich in zwei Fächern unterwegs: Einerseits als ernsthafte Schauspielerin, wie in Matti Geschonnecks Berlin-Film „Boxhagener Platz“, der demnächst bei der Berlinale Premiere feiert. Und andererseits als singender, sägender Tingeltangelstar auf allen Showbühnen. Von der „Bar jeder Vernunft“, wo sie Anfang der Neunziger als Gastgeberin des Nachtsalons ihre Karriere startete, über Konzerte im Admiralspalast bis zur Moderation der Gala 25 Jahre Friedrichstadtpalast.

Großartig und ganz besonders sei sie, sagt der feingeistige Wurstmaschinenhändler. Und in der Tat schont Becker sich und ihre Showband The Tiny Teeth, die links auf der Bühne sitzen, nicht. Sie trötet, gurrt, flüstert, seufzt, die Band rumpelt, poltert, fetzt. Ganz still und schaurig schräg können sie außerdem sein.

Hereinspaziert zu Berlins einzigem Nummernvarieté, brüllt Becker. Und weiter: „Leute holt die Wäsche rein, die Artisten kommen.“ Dass die Sängerin, deren Großmutter im Original-Wintergarten an der Friedrichstraße als Komikerin auftrat, sich selbst zum fahrenden Volk zählt, beweist sie auch mit akrobatischen Einlagen. Kopfüber in einem Ring unter der Decke hängend, singt sie ein Chanson. Das Publikum staunt.

Sie passen zusammen – Becker, die ganz und gar nicht piefige Show und der nach der Insolvenz vor einem Jahren und einer Zwischenbespielung nun hoffentlich dauerhaft wiedereröffnete Wintergarten mit seinem Wohnzimmercharakter. „Berlin ohne ein klassisches Nummernvarieté – das ist eine Schmach“, findet Meret Becker. Gern gibt sie ihren Namen drei Monate lang als Zugnummer für das Varieté. Konservieren will sie die Traditionsunterhaltungsform allerdings nicht. Die Künstler seien jung und wild, sagt sie. Wie You-Tube-Clips gucken sei so ein Nummernprogramm oder wie ein Kurzfilmfestival. Sie selbst will „einen Hauch Anarchie durch den Wintergarten flattern lassen“ und was Seltenes kombinieren: kuriose Bilder, einen klassischen, mechanischen Zirkussound und erstklassige Artisten. Auch der Magier ist super, stellt der Wurstmaschinenhändler fest. Nur die Clowns nerven, aber die nerven immer.

Die hingebungsvoll die Säge streichende Meret Becker hält alles mit ihrer Kapelle zusammen. Piano und Cello, Drehorgel, Spieluhr und Hupe sind dabei. Jahrmarktsmusik á la Danny Elfman, wie Becker sie liebt. Mit einem großen weißen Stoffhasen spielt sie ein Duett auf dem Kinderklavier. Harvey heißt der, war ja klar.Gunda Bartels

Wintergarten, Potsdamer Straße 96, Tiergarten, bis 1. Mai, Kartentel.: 588 433

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