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© dpa

Verdiente Berliner geehrt: Leuchttürme im Blitzlicht

Der Bundespräsident empfing beim Neujahrsempfang Bürger, die gratis Gutes tun. Darunter waren auch engagierte Berliner.

Das mit der Hilfe ergab sich Schritt für Schritt. Am Anfang standen die gemeinsamen Kaffeestunden mit den alten Bekannten. Dann übernahm Irene Wypyrsczyk auch mal Einkäufe. Und schließlich ersparte sie drei kranken alten Damen einen Pflegeheimaufenthalt, indem sie für sie kochte, ihnen den Haushalt führte und bei Alltagsdingen half. Gestern fand sich die stille Hausfrau aus Reinickendorf in einer für sie völlig ungewöhnlichen Situation wieder. Beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten posierte sie mit Horst Köhler und Frau Eva Luise im Schloss Bellevue für ein gemeinsames Foto.

In der Hauptstadt der Red-Carpet-Shows gibt es einmal im Jahr ein Blitzlichtgewitter, das anzuschauen ausnahmsweise richtig guttut, weil es eine so tiefe Berechtigung hat. Zwischen den Spitzenvertretern von Verbänden und Organisationen und dem Bundeskabinett gibt es das Defilé der verdienten Bürger, wie es im Amtsdeutsch heißt. Es ist vor allem ein Defilé der Vorbilder, die gesellschaftliche Aufgaben erkennen und ohne Bezahlung erledigen. Leuchttürme der Gesellschaft also. Christa Wolff fand so eine Aufgabe im Urlaub in Kenia. Eigentlich wollte sie ihre Hotelanlage nur verlassen, um zur Kirche zu gehen. Sie beobachtete, wie der junge Mann, der ihr den Weg zeigte, einem Freund Geld gab, weil der gerade keine Arbeit hatte. Der Zusammenhalt der Menschen machte der früheren wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Humboldt-Universität so tiefen Eindruck, dass sie das „SOH – Shangzu Orphans Home Project“ gründete. Heute leben dort 24 Waisenkinder, und die Pensionärin verbringt die Hälfte des Jahres in Kenia.

Umgekehrt kam einst Veye Tatah aus Kamerun nach Deutschland. Um ein realistischeres Afrikabild in Deutschland zu schaffen und die Integration anderer Afrikaner zu fördern, gründete die Informatikerin in Dortmund das Magazin „Afrika Positive“ und ist seit 1998 ehrenamtliche Chefredakteurin. Natürlich hatte sie dem Bundespräsidenten ein Exemplar mitgebracht.

Sulkyfahrer Peter Kwiet nutzte die Gelegenheit, Horst Köhler auf die Trabrennbahn Mariendorf einzuladen. Die Gewinne, die er mit dem selbst trainierten Pferd „Glückauf“ einfährt, gehen an die Kinderklinik „St. Joseph“. Hans Gerhard Lau vom Leuchtturmverein in Warnemünde lud den Bundespräsidenten ebenfalls ein, berichtete von den vielen Denkmalpflegeprojekten seines Vereins und brachte eine Auswahl seiner Bücher mit, darunter „Berliner in Warnemünde“ für Frau Eva Köhler. Zu einem Rheinsberger Leuchtturm ist Käthe Burde durch ihr Engagement geworden. Seit mehr als 35 Jahren ist sie als ehrenamtliche Niederschlagsbeobachterin tätig. Jeden Morgen um 6.50 Uhr misst sie den Niederschlag, beobachtet den Wetterverlauf rund um die Uhr. Über die Jahre hat sich der Klimawandel bemerkbar gemacht, haben sich zum Beispiel die Vögelzüge verändert. Die mittlerweile 80-Jährige bleibt ihrer Aufgabe immer noch treu.

Oft geht es an diesem Vormittag um langjähriges Engagement, auch bei Marina Bikadi, die seit über zehn Jahren das Kulturhochhaus Marzahn leitet und in vielerlei Hinsicht ehrenamtlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor allem von Kindern und Jugendlichen in dem Stadtteil beiträgt. Seit über 25 Jahren engagiert sich Gabriele Heinemann im Neuköllner Verein MaDonna Mädchenkultur für junge Frauen mit Migrationshintergrund. Schon früh hat sie gegen Zwangsheiraten gekämpft. Ihr Einsatz für Kinder- und Frauenrechte verlangt viel Konfliktfähigkeit bei der Arbeit mit konservativen muslimischen Familien.

Sie weiß genau, was gesetzlich geändert werden müsste, um die Situation junger Migrantinnen zu verbessern. „Eigentlich könnte man hier gut Lobbyarbeit machen“, seufzt sie angesichts der vielen Funktionsträger. Aber dann beschließt sie, einfach nur diesen Tag zu genießen. Das ist ja auch genau der Sinn der Sache.

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