zum Hauptinhalt
Völkerball

© David Heerde

Völkerball: Mit Federschmuck und Sumo-String

Bunte Kostüme, Schminke und viel gute Laune: Am Oststrand in Friedrichshain findet heute das Finale der fröhlichen Völkerball-WM statt.

Schmale Japaner, wild bemalt und in Sumo-Ringer-Strings, spielen Ball mit doppelt so breiten Hessen. Der Moderator spaßt vom Hochsitz. Die bunte Fangemeinde lacht und applaudiert den Völkerballhelden. Satte House-Beats grooven über den Oststrand, Mauersegler zischen durch das Abendrot, und über der Oberbaumbrücke hängt der aufgehende Mond wie eine dicke Apfelsine.

„Einer dieser perfekten Berliner Abende“, schwärmt Wolfgang Wilkening, 56 und mit Doktortitel. „Gerade hier muss man doch unter die Leute und kann nicht zu Haus vorm Fernseher sitzen bleiben.“ Er ist Freitag weit und breit der einzige weißhaarige Anzugträger bei der Strandvölkerball-WM. Und direkt aus seinem Fachhochschulbüro hergekommen. Warum? „An Völkerball hab ich Jugenderinnerungen. Und wie hier am Finaltag die Post abgeht – das war mein erstes tolles Partyerlebnis in der Stadt.“ Im Juli 2003 sei er aus Hannover hergezogen und zufällig am Oststrand gelandet. Seitdem kommt er jedes Jahr.

Donnerstag und Freitag haben sich bereits die Völker Ruhrpottler, Deutschländer, Hessen und Apachen aus 15 Vorrundenmannschaften qualifiziert. Natürlich strikt nach den Regeln des Strandvölkerballweltverbandes. Jede Mannschaft hat acht Mitspieler, mindestens die Hälfte sind Frauen, und ein Spiel dauert eine Viertelstunde. Und wer sich nicht mehr so genau dran erinnert: beim Völkerball geht’s darum, den Gegner abzuwerfen.

Doch das sei längst nicht alles, meint WM-Erfinder Max Schumacher: „Man spielt nicht nur Ball und besäuft sich hinterher“, sagt er, „sondern hier begegnet man sich noch, und es geht um was!“ Der Kreuzberger Performance-Wissenschaftler, 33, hat wie alle anderen teilnehmenden Sportsfreunde den Schalk im Nacken.

Wenn die Apachen in Kriegsbemalung und mit Federschmuck aus der Kinderkarnevalsabteilung den Centre Court betreten, perlt Martin Böttchers Winnetou-Melodie aus den Boxen. Als volkseigene Spezialitäten servieren sie Blutsbrüderschaftsnachos und Feuerwasser. Squaw „Silberblick“ ist Mitte 20 und wohnt in Pankow. Wie sich die Apachen auf die WM vorbereitet haben? „Letztes Jahr waren wir zum Ausspähen da, seit Mai trainieren wir, und vor allem haben wir ausdauernd Karl-May-Filme geguckt.“

Die Trainingslager der Japaner und Hessen fielen deutlich kürzer oder ganz aus. Dafür haben Letztere einen öligen Topf voller Handkäs mit Musik und Äppelwoi mitgebracht. Ihre Auftrittshymne ist selbstredend „Erbarme, die Hesse komme“. Ja, und im Lager des richtig echten Volkes der Japaner finden pappige Bratnudelschrippen reißenden Absatz. Wie die heißen? „Yakisoba“, sagt der lustig angemalte Maler Satoshi Hoshi, 29, der seit 2000 in Berlin lebt.

Die Völker inszenierten sich selbst und spielten dabei mit Vorurteilen, sagt Max Schumacher und meint es diesmal ernst. Aber vor allem sind sie scharf auf den formschönen Wanderpokal des Turniers, den „Völker-Globe“. Mitmachen darf „wer eine Sprache spricht oder glaubt, ein Volk zu sein“. Dieser Spitzenslogan habe sie hierhergelockt, erzählt ein heiteres Studententrio aus Lichtenrade. „Obwohl Völkerball in der Schule Mist war, weil man so schnell abgeworfen wurde.“

Das hat Kerstin Hermann, die mit einigen Freundinnen zuschaut, anders erlebt. „Wir haben als Kinder immer mit der ganzen Straße Völkerball gespielt.“ Seit zwei Jahren überlegten sie in Friedrichshain schon, ein Volk zu bilden. „Schließlich muss man ja mal bei ’ner WM mitgemacht haben.“ Es fehle aber noch eine Friedrichshainer Hymne, Spezialitäten und vor allem Männer. Ihre fänden Völkerball einfach zu albern. Gunda Bartels

Heute um 19 Uhr steigt das Finale der Strandvölkerball-WM am Oststrand in Friedrichshain, Mühlenstraße, hinter der East Side Gallery.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false