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© Uwe Steinert

Volksschauspieler Jürgen Hilbrecht: Mit Herz und Schnauzer

Salzburg? Hat Mozart. Köln? Hat den Karneval. Und Berlin? Hat den „Hauptmann von Köpenick“. Jürgen Hilbrecht will der Kulturtyp der Stadt werden und startet eine Gesangsshow mit Berliner Liedern.

Schüchtern geht anders, das ist mal sicher. Kommt Jürgen Hilbrecht in Bühnenpose rein, ist die Bude voll. Und wenn das dann vor einem hippen Publikum wie in Mark Scheibes monatlicher „Berlin Revue“ im Admiralspalast geschieht, wo Newcomer wie Johanna Zeul oder Indie-Größen wie Elke Brauweiler auftreten, hat man erst mal ganz schön Angst. Davor, was der Volksschauspieler, Jahrgang 1942, da sichtlich begeistert mit dem totgenudelten Berliner Begriffspaar Herz und Schnauze anstellen will. Und davor, dass das Szenevolk den alten Theaterhasen, der die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch schon 1961 besuchte, womöglich in der Luft zerreißt.

„Ick bin hier det Fossil“, stellt der Mann mit der gewitzten Miene sich puppenlustig und selbstironisch vor, schmettert Otto Reutters Couplet-Klassiker „Nehm se’n Alten“ und schäkert mit den Mädels. Und was passiert? Der Saal tobt!

Ab Dienstag ist Jürgen Hilbrecht jetzt mit einer eigenen Gesangsshow im Admiralspalast zu sehen. Der Titel ist so berlinisch wie das von Akkordeon und Klavier begleitete Musikprogramm: „Das ist die Berliner Luft!“ Hilbrecht und seine Gäste singen Ohrwürmer von Paul Lincke bis Claire Waldoff und erzählen dazu freche und rührende Stadtgeschichten.

Auch aus der DDR-Zeit? „Nee“, sagt der Köpenicker, „das wäre noch zu heikel. Viel zu viele Empfindlichkeiten, und außerdem müssten das andere machen: Ick bin kein Intellektueller.“ Bei ihm sollen sich Touristen und Einheimische ins Gestühl fallen lassen, Berliner Musik, Sprache, Schmiss und Charme genießen und sagen: „Ach, is det schön.“ Und natürlich sollen auch die Jungen kommen. „Das ist irre, wie die die alten Lieder annehmen“, wundert sich Hilbrecht. Piefig oder verstaubt fänden’s nur Doofe, sagt er und lacht.

Zum Volksschauspieler haben Jürgen Hilbrecht die Köpenicker ernannt, deren Stadttheater er 1992 wiederbelebt hat, erzählt er. Schon auf der Schauspielschule hat er gewusst, dass er kein verkopftes Theater machen will, sondern Volkstheater. Keine billigen Schenkelklopfer, sondern amüsante Komödien mit Tiefsinn. Ein moralisches, zeitsatirisches Theater, das direkt ans Publikum geht. Klar, dass er die Leute morgen im Admiralspalast auch zum Mitsingen auffordert. „Ick bin ’ne Rampensau, um das mal klar zu sagen.“

Allerdings eine mit Bildungsauftrag. Denn im Südosten Berlins ist Hilbrecht als die umtriebige Wiedergeburt des Hauptmanns von Köpenick überaus bekannt. In der Touristeninformation am Schloßplatz sagt die Dame, wenn man sie nach Jürgen Hilbrecht fragt: „Das ist unser Hauptmann, unser Aushängeschild, unsere Marke.“

Genau das will er sein: eine Kulturmarke. Für Berlin und darüber hinaus. Mit seinem Paradestück „Das Schlitzohr von Köpenick“, das ihm der Fernsehautor Felix Huby in 15 Episoden aus dem Leben des als Hauptmann von Köpenick berühmt gewordenen Schusters Friedrich Wilhelm Voigt auf den Leib schrieb, ist er quasi als Botschafter Berlins unterwegs. Auch auswärts. Und auf der Suche nach einer neuen innerstädtischen Dauerspielstätte hat er gerade frank und frei beim Deutschen Theater nachgefragt.

Der Mann hat ganz schön Pläne. Und wie er so mit dem Hauptmannsmantel überm Arm zwischen dem Ratskeller Köpenick und seiner Wohnung schräg gegenüber hin und her rennt, auch Schwung genug, sie umzusetzen. Berlins kulturelle Identität sei auch 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch gespalten, befindet Hilbrecht. Bei Köln denke man an Karneval, bei Wien an Schrammerl-Musik und bei Salzburg an Mozart. Berlin dagegen habe nichts davon, was sich dringend ändern müsse: „Touristen brauchen det, und da will ick meinen Beitrag leisten.“

Zum Beispiel mit der Uraufführung des frisch komponierten Songs „Hier atme ich Berlin“, die es Dienstag im Admiralspalast gibt. Wenn es nach Jürgen Hilbrecht geht, schlägt der bei Touristen und Berlinern mächtig ein. Als neue Berlin-Hymne.

„Das ist die Berliner Luft!“ hat am heutigen Dienstag um 20 Uhr Premiere im Admiralspalast am Bahnhof Friedrichstraße. Abendkasse: 16 Euro; Mehr Informationen unter Telefonnumer: 47 99 74 99

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