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Weinberg

© Thilo Rückeis

Weinbergspark: Erkämpfte Idylle

Anwohner, Wirte und Polizisten wehren sich seit Monaten gegen Dealer im Weinbergspark. Erste Initiativen zeigen bereits Wirkung. Ziel soll ein "normaler Park" sein, was jedoch "normal" ist, kann keiner so genau sagen.

Die Dealer tragen weite Hosen, Strickmützen oder Kapuzenpullis. Sie laufen kreuz und quer durch den Park, suchen Blickkontakt, fragen „Brauchst du Gras?“. Die Bauarbeiter trinken ihr Feierabendbier auf einer Bank in der Sonne, das Ehepaar Zimmermann schiebt die dritte Runde mit dem Enkel im Kinderwagen, Hunde tollen über die Wege, Touristen fragen nach einer Pizzeria, Jungverliebte kosen sich auf der großen Wiese. Es ist früher Nachmittag, alle sind wieder da, außer den Spielplatzkindern und den Polizisten. Die kommen erst später.

Seit drei Jahren kämpft eine Anwohner-Initiative gegen den Drogenhandel im Weinbergspark. „Wir haben viel erreicht, wir können nicht mehr machen“, sagt Tamara Zieschang. In diesem Sommer haben alle an einem Strang gezogen: Schulen, Bezirksamt, BVG, Polizei, Wirte. Es wurden Kiezgespräche organisiert, die verwilderten Rabatten gelichtet, Bäume gepflanzt, Feste veranstaltet. Die Polizei lief häufiger Streife. Der Spielplatz wird umgebaut, es gibt Beutelspender für Hundekot, Laternen sollen den Park heller machen, das Bassin wird erneuert, der Eingangsbereich verschönert.

Das Gartendenkmal, denn das ist der Weinbergspark offiziell, soll wieder hergestellt werden. Die Anwohner erobern sich ihren Park zurück, zeigen den Drogendealern, dass sie nicht erwünscht sind. Das war das Ziel. Wie sieht die Bilanz aus?

POLIZEI

"Es ist eine kleine Verunsicherung festzustellen“, sagt Michael Oles vom Polizeiabschnitt 31. "Wir verdrängen, die Frage ist nur: wohin? Das ist eine sehr bewegliche Szene.“ Die afrikanischen Händler seien verschwunden, aber nicht die arabischstämmigen Dealer. "Es gibt ja weiterhin eine Käuferstruktur.“ Positiv sei, dass von den Dealern im Park keine Gewalt ausgehe. "Die sind alle unbewaffnet.“ Am Ende der vielen Aktionen solle ein "normaler Park“ stehen, aber "ganz werden wir es nicht schaffen, schon allein wegen der Drogen-Linie U 8, die ist zu nah dran“. Die Polizisten laufen 250 Stunden im Monat durch den Park, aber gedealt wird 24 Stunden am Tag.

ANWOHNER-INITIATIVE

"Mein Gefühl ist, dass es besser geworden ist. Es gibt weniger Anmache im Park, in den Cafés wird gar nicht mehr gedealt. Harte Drogen gibt es nur noch in den U-Bahnhöfen“, sagt Tamara Zieschang von der Anwohner-Initiative. Ob die Parkumgestaltung etwas nützt, werde man erst im nächsten Jahr wissen. Wegen der Verdrängung von Dealern gebe es schon erste Beschwerden aus den Bereichen Arkonaplatz und Zionskirchplatz, weil die Drogenhändler sich nun dorthin verzogen hätten.

SZENEGÄNGER

Es gebe jetzt weniger Junkies und unangenehme Typen, sagt die Frau in der roten Jacke, eine Übersetzerin und Autorin, die anonym bleiben möchte, weil sie selber Haschisch konsumiert. "Ich kaufe den Stoff aber nicht hier. Das machen die wenigsten Leute, die hier wohnen.“ Man bestellt lieber telefonisch beim privaten Dealer des Vertrauens. Die Umgestaltung des Parks findet sie gut, auch wegen ihres zweijährigen Sohnes. Frauke, 33 Jahre, Designerin, ist weniger begeistert. "Früher saßen Leute hier, die man auch abends im Club getroffen hat. Jetzt sind hier mehr Mütter, alles ist ordentlicher und damit auch langweiliger.“ Die Dealer hätten zwar auch genervt, aber die häufigen Polizeistreifen findet sie mindestens ebenso ärgerlich, schon wegen ihres Dackels, den sie dann anleinen muss. "Die Selbstbestimmung ist verloren gegangen.“

MÜTTER UND GROSSELTERN

Wendy, Ende 20, schiebt ihren sieben Monate alten Sohn im Kinderwagen auf die Parkanhöhe. "Die Dealer haben schon genervt. Mit Kinderwagen werde ich aber nicht mehr angesprochen.“ Ihr Kind soll in der Umgebung aufwachsen, deshalb unterstützt sie den Kampf gegen die Drogen. Im "Nola“, dem Parkcafé, sitzen Juliane, 31, und Martina, 36, mit ihren kleinen Töchtern auf der Terrasse. Die Dealer haben sie bislang kaum gestört, "aber wir wohnen nicht direkt hier“. Auch Josef Zimmermann, 77, wird von den Dealern nicht behelligt. Trotzdem findet er gut, dass die Polizei häufiger Streife läuft. "Die Dealer sollen weg hier.“

CAFÉBESITZER

Im "Nola“ möchten sie nichts zum Thema sagen. Es hätten sich schon Gäste wegen der vielen Zeitungsberichte beschwert. Elisabeth Armbruster-Haak vom "Fleury“ findet nicht, dass das Drogenproblem abgenommen hat. "Die Dealer sind vielleicht jünger geworden, aber weniger sind es nicht.“ Die Polizei habe Trainingskurse abgehalten, wie man mit den Dealern umgehen soll: "Souveränität zeigen, klarmachen, dass man genau beobachtet, was passiert“. Aber vertreiben könne man sie damit nicht. "Die sind irre dreist. Nervös werden eher die Käufer.“ Dass der Park verschönert wird, sei aber auch unabhängig vom Drogenproblem eine gute Sache.

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